Klöster in Baden-Württemberg
Mönchsorden   Benediktiner   Klöster im Schwarzwald-Baar-Kreis   
Benediktinerabtei St. Georgen - Geschichte
  Zurück
Das nordwestlich von Villingen gelegene Benediktinerkloster St. Georgen im Schwarzwald wurde 1083 auf Initiative der Adligen Hezelo und Hesso gegründet (ursprünglich geplanter Standort: Wald, heute Königseggwald ) und von ihnen mit Besitzungen zwischen Kaiserstuhl und Oberschwaben großzügig dotiert. Aus der Abtei Hirsau, die sich in der zweiten Hälfte des 11. Jh. vor allem unter ihrem Vorsteher Wilhelm zum einflussreichen Zentrum der cluniazensischen Reformbewegung im deutschsprachigen Raum entwickelte, kamen ein Jahr später die ersten Mönche. Der seit 1088 amtierende Abt Theoger (+ 1120) legte den Grundstein zu einer während des Mittelalters mehrfach durch Feuer zerstörten und wieder aufgebauten Basilika; am Ende dieser Reihe konnte 1496 eine zehn Altäre beherbergende Kirche in gotischem Stil eingeweiht werden. Dem von umfänglichen Schenkungen profitierenden Monasterium, das sich auch um die Urbarmachung seiner Umgebung Verdienste erwarb, bescherten der 1118 zum Bischof von Metz berufene Theoger und sein Nachfolger Werner (+ 1134) eine Blüte als weit ausstrahlender "Reformmittelpunkt" (Ruhrmann): Die Gründung oder Erneuerung zahlreicher Klöster - darunter auffallend viele im Elsass - nahm von St. Georgen ihren Ausgang, einige - wie die Frauenkonvente in Amtenhausen und Urspring - blieben dem Mutterkloster über Jahrhunderte hinweg eng verbunden - Jahrhunderte, in denen diese Benediktinerabtei an die frühe Hochform kaum mehr anzuknüpfen vermochte.
Nachdem Württemberg 1444/49 die Hälfte der Vogtei über St. Georgen erworben hatte (der andere Teil folgte in den 1530er Jahren), versuchte es seiner allgemeinen Klosterpolitik entsprechend, die ihm zustehende Schutz- und Schirmbefugnis schrittweise in ein territorialherrliches Rechtsverhältnis umzuwandeln. Trotz in der Regel oppositionell gestimmter Äbte glückte dies partiell, wenn man etwa an die sukzessive Eingliederung St. Georgens in die württembergischen Landstände denkt. Dagegen sah sich die Abtei - und vertrat dies nicht zuletzt vor dem Reichskammergericht in Speyer - im Zustand der Reichsunmittelbarkeit, weswegen sie sich prinzipiell auch von der lutherischen Reformation des Kirchenwesens in Württemberg (ab 1534) unberührt wähnte. Angesichts kaiserlicher Privilegien, Geldzahlungen für Reichszwecke, Einladungen zu Reichstagen und einer Palette von Rechten gegenüber den Klosteruntertanen war der Anspruch auf einen immediaten Status durchaus nicht aus der Luft gegriffen.
Solche Argumente ließen den tat- und schlagkräftigen Herzog Ulrich von Württemberg aber kalt, der 1536 ungeachtet des mehrmonatigen Widerstands von Abt Johannes V. Kern (+ 1566) für eine gewaltsame Okkupation des Klosters sorgte. Die Religiosen flohen über die Zwischenstation Rottweil in ihren Pfleghof im vorderösterreichischen Villingen, aus dem sie indes schon 1548 infolge des von Kaiser Karl V. auf die protestantische Partei ausgeübten Drucks wieder nach St. Georgen zurückkehrten. Doch erneut wurde unter Ulrichs Sohn Christoph die Schlinge um den Hals der Konventualen fester gezogen, was 1556 in einer Klosterordnung kulminierte, welche die Abtei komplett in das landesherrliche Kirchenregiment einfügte und zu einer Schulanstalt - die lediglich bis 1595 existierte - sowie territorialen Verwaltungseinrichtung mit evangelischen Äbten an der Spitze umfunktionierte - letztere bestand bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Nach einem von Kompromissen geprägten Intermezzo klärten sich die Fronten endgültig 1566: Während St. Georgen der Säkularisation anheim fiel, mussten die Benediktinermönche ihren Hauptsitz nach Villingen verlegen und fortan von den Einkünften aus den ihnen verbliebenen, da nicht zum württembergischen Hoheitsgebiet gehörigen Klosterorten leben.
Eine dramatische Veränderung dieses Zustandes brachten erst die militärischen Erfolge Habsburgs in der Anfangsphase des 30-jährigen Krieges. Sie ermöglichten Kaiser Ferdinand II. 1629 den Erlass des Restitutionsedikts, mit dem er die protestantischen Reichsstände zur Herausgabe des nach dem Passauer Vertrag von 1552 säkularisierten Kirchenguts zu zwingen gedachte. Dies machte den Weg zurück nach St. Georgen für die Mönche frei, die ein Jahr darauf durch das aus benediktinischer Perspektive positive Urteil des Reichskammergerichts zusätzlich gestärkt wurden. Demgemäß konnte Abt Georg II. Gaisser (+ 1655) St. Georgen 1630/34 in Besitz nehmen und sich nun mit wechselndem Geschick um eine Rekatholisierung der dem Konvent unterstehenden Gemeinden bemühen, bis der Westfälische Frieden von 1648 die Abtei dem Herzogtum Württemberg zusprach und so die Ordensbrüder definitiv auf ihr Villinger Exil beschränkte. Übrigens war Gaisser in seiner St. Georgener Zeit genötigt, in einer provisorischen Wohnung zu hausen, weil Villinger Militär 1633 die Klostergebäude niedergebrannt hatte, um dem württembergischen Feind ein potentielles Versteck zu entziehen.
Im Lauf der nächsten Jahrhunderte zerfielen die Ruinen allmählich, und nach der Brandkatastrophe von 1865 nutzte man sie sogar als Steinbruch zum Wiederaufbau des verwüsteten St. Georgener Ortskerns. Das Klostergelände inmitten der industrialisierten Stadt ist heute weitgehend überbaut, nur ein paar steinerne Relikte erinnern an die monastische Vergangenheit. Allerdings lassen sich in verschiedenen baden-württembergischen Museen mittelalterliche Kunstwerke, in erster Linie Plastiken, aus der Abtei und ihrer Leutkirche St. Lorenz bewundern. Schwach ausgeprägt sind wegen des Mangels an aussagekräftigen zeitgenössischen Abbildungen unsere Kenntnisse über das Aussehen und die Ausmaße des Klosters vor 1633. Um dem abzuhelfen, hat das St. Georgener Architekturbüro asm den Versuch unternommen, auf der Basis der wenigen feststehenden Fakten die Anlage im Rahmen einer Computersimulation zu rekonstruieren.
CHRISTIAN SCHULZ     
LITERATUR
-<GermBen> V, 242-253 (H. J. WOLLASCH).
- <KDB II> 82-90.
- E. Chr. MARTINI: Geschichte des Klosters und der Pfarrei St. Georgen auf dem Schwarzwald mit Rücksicht auf die Umgegend. St. Georgen 1859.
- K. TH. KALCHSCHMIDT: Geschichte des Klosters, der Stadt und des Kirchspiels St. Georgen auf dem badischen Schwarzwald. Heidelberg 1895.
- Chr. RODER: Das Benediktinerkloster St. Georgen auf dem Schwarzwald, hauptsächlich in seiner Beziehung zur Stadt Villingen. In: <FDA> 6 (1905) 1-76.
- J. RUHRMANN: Das Benediktiner-Kloster Sankt Georgen auf dem Schwarzwald im Zeitalter von Reformation und Gegenreformation (1500-1655). Diss. phil. Freiburg i. Br. 1961/62.
- H.-J. WOLLASCH: Die Anfänge des Klosters St. Georgen im Schwarzwald. Zur Ausbildung der geschichtlichen Eigenart eines Klosters innerhalb der Hirsauer Reform. Freiburg i. Br. 1964.
- FS 900 Jahre Stadt St. Georgen im Schwarzwald 1084-1984. St. Georgen 1984.
- Chr. SCHULZ: Strafgericht Gottes oder menschliches Versagen? Die Tagebücher des Benediktinerabtes Georg Gaisser als Quelle für die Kriegserfahrung von Ordensleuten im Dreißigjährigen Krieg. In: M. ASCHE / A. SCHINDLING (Hg.): Das Strafgericht Gottes. Kriegserfahrungen und Religion im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Münster 2. Aufl. 2002, 219-290.
- M.BUHLMANN: St. Georgen im Schwarzwald. In: M. BUHLMANN: Benediktinisches Mönchtum im mittelalterlichen Schwarzwald. Ein Lexikon - Teil 2: N-Z (Vertex Alemanniae 10/2). St. Georgen 2004, 78-82.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 100: Sankt Georgen, Kloster, Amt und Ort
-Generallandesarchiv Karlsruhe 12: Sankt Georgen
-Generallandesarchiv Karlsruhe 184: Villingen, Amt und Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
-Generallandesarchiv Karlsruhe 61: Protokolle
-Generallandesarchiv Karlsruhe 64: Anniversarienbücher
-Generallandesarchiv Karlsruhe 66: Beraine
-Generallandesarchiv Karlsruhe 67: Kopialbücher
-Generallandesarchiv Karlsruhe 69 von Hennin:
-Generallandesarchiv Karlsruhe 79: Breisgau Generalia
-Generallandesarchiv Karlsruhe 82: Konstanz Generalia (Hochstift)
-Generallandesarchiv Karlsruhe 98: Salem
-Generallandesarchiv Karlsruhe 99: Sankt Blasien
-Generallandesarchiv Karlsruhe A: Kaiser- und Königsurkunden vor 1200
-Generallandesarchiv Karlsruhe B: Papsturkunden vor 1200
-Generallandesarchiv Karlsruhe C: Privaturkunden vor 1200
-Generallandesarchiv Karlsruhe D: Kaiser- und Königsurkunden 1200-1518
-Generallandesarchiv Karlsruhe E: Papsturkunden 1198-1302
Seitenanfang