Klöster in Baden-Württemberg
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Kollegiatstift Zeil - Geschichte
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Als die Brüder Heinrich und Froben von Waldburg 1595 bzw. 1601 den Besitz der Georgischen Linie des Hauses Waldburg unter sich teilten, erhielt Froben die Herrschaften Zeil, Wurzach und Marstetten. Er wählte Zeil als Wohnsitz, ließ dort Anfang des 16. Jh. ein neues Schloss bauen und errichtete nach dem Vorbild der älteren Schlossanlage in Wolfegg in unmittelbarer Nähe seiner Residenz ein Kollegiatstift, das - durch einen überdachten Kirchgang mit dem Schloss verbunden und auf nahezu gleichem Niveau wie das Schloss gelegen - sichtbarer Ausdruck der Glaubensüberzeugung des Bauherrn sein sollte, aber auch sein adeliges Standesbewusstsein dokumentierte. Nach schwierigen Verhandlungen mit dem Ordinariat in Konstanz, den benachbarten Patronatspfarreien und seinem Bruder Heinrich in Wolfegg konnte der Stiftungsbrief am 7. April 1608 ausgefertigt werden. Die Bestätigung durch Kaiser Rudolf II. als Lehnsherrn der Herrschaft Zeil erfolgte erst am 2. Oktober 1609. Auch im Stiftungsbrief und in den Statuten hielt Reichserbtruchsess Froben sich eng an das Vorbild des Kollegiatstifts Wolfegg. Das Stiftspersonal sollte aus einem Propst, sechs Priestern, einem Organisten, einem Schulmeister und vier Chorknaben bestehen. Von den sechs Priestern sollten zwei Kanoniker und Kapitulare sein, die anderen mussten als Koadjutoren jährlich neu bestellt werden. Wichtigste Aufgabe der Geistlichen war der tägliche feierliche Gottesdienst in der Stiftskirche, das Chorgebet und die Seelsorge in den inkorporierten Pfarreien Zeil und Seibranz. Das Stift war exemt und abgabenfrei. Die Herrschaft Zeil als Kastenvogt nominierte und präsentierte den Stiftspropst, neue Priester konnten nur mit Genehmigung der Herrschaft aufgenommen werden. Jeder Inhaber der Herrschaft musste, bevor er die Erbhuldigung der Untertanen entgegennahm, die Einhaltung des Stiftungsbriefes und der Statuten beeiden. Froben dotierte das Stift mit einem Kapital von 10.000 Gulden sowie sämtlichen Einkünften der Pfarreien Zeil und Seibranz und der St. Georgs-Kaplanei Wurzach. Außerdem erhielt das Stift von den übrigen fünf Pfarreien der Herrschaft Zeil sogenannte Pensionen, die zwischen 52 Gulden (Aitrach) und 200 Gulden (Aichstetten) pro Jahr lagen. Später kamen noch viele, zum Teil beträchtliche Stiftungen und Schenkungen der gräflichen Familie Waldburg-Zeil und von Einwohnern der Herrschaft Zeil hinzu. Der Stiftung Frobens war zunächst nur eine kurze Blütezeit beschieden. Bald führte der 30-jährige Krieg zum Niedergang der Herrschaft und damit auch des Kollegiatstifts. Es fehlte an geeigneten Priestern und an Geldmitteln, die Gebäude verfielen. Man verhandelte mit Karmelitern, Dominikanern und Serviten über eine Übergabe. Zeitweise dachte man sogar an Verkauf. Als das Stift sich nach Jahrzehnten wieder zu erholen begann, beeinträchtigten erbitterte Streitigkeiten im Kollegium über den Bezug der Stolgebühren, über Kompetenzen u. ä. die Arbeit und das Zusammenleben. Die häufig wechselnden Pröpste konnten sich gegen Störenfriede nicht durchsetzen, Abmahnungen des Ordinariats waren nur von kurzer Wirkung. Der regierende Graf von Zeil, Johann Jakob II. (1721-1750), war meist abwesend, weil er am erzbischöflichen Hof in Salzburg verschiedene Ämter bekleidete. Überdies musste seit der Erbteilung von 1675 die Stiftsadministration mit Wurzach gemeinsam ausgeübt werden, was Entscheidungen erschwerte. Erst eine von Generalvikar Dr. Rettich 1743 geführte bischöfliche Untersuchungskommission bewirkte einen grundlegenden Wandel. Die Unruhestifter wurden aus dem Kollegium entfernt und im Stiftsrezess vom 15. Juni 1743 gewissermaßen ein zweiter Stiftungsbrief errichtet, für dessen Einhaltung der energische Propst Heinrich von Leo (1739-1750) sorgte. Die folgenden Pröpste Dr. Johann Kolb (1750-1756), Dr. Konstantin Müller (1756-1767) und vor allem Johann Baptist Knaushart (1775-1806) waren umfassend gebildete Theologen, eifrige Seelsorger und umsichtige Vorgesetzte. Das religiöse Leben blühte, tatkräftig gefördert von der gräflichen Familie Waldburg-Zeil (Rosenkranz-Bruderschaft, Wallfahrten, Kirchenmusik). Aus dem Zeiler Stift gingen tüchtige junge Geistliche hervor, mit denen die waldburgischen Patronatspfarreien besetzt wurden. Der Entschluss, das Kollegiatstift Zeil aufzulösen, fiel deshalb den beiden Fürsten Maximilian Wunibald von Waldburg-Zeil (1750-1818) und Eberhard Ernst von Waldburg-Wurzach (1781-1807) auch nach dem Reichsdeputationshauptschluss schwer. Um aber der Gefahr einer Enteignung durch den künftigen Souverain, den König von Württemberg, vorzubeugen, erließen sie zunächst am 12. September 1805 ein provisorisches Aufhebungsdekret und zogen die Besitzungen und Einkünfte des Stifts an sich. Am 16. August 1806, als die Mediatisierung bereits beschlossen war, verfügten sie dessen definitive Auflösung. Fürst Zeil hielt in seinem Tagebuch fest: "Gott weiß! daß dies nicht aus interessierter oder böser Absicht geschehen ist, sondern nur aus Drang der allgemein bekannten höchst traurigen Umstände!" Propst Knaushart behielt als Pfarrer von Zeil seinen bisherigen Titel und Gehalt. Ebenso wurde Dagobert Mesmer, bisher schon Pfarrvikar in Seibranz, dort nunmehr Pfarrer. Die übrigen fünf Stiftsgeistlichen konnten unter Beibehaltung ihrer bisherigen Bezüge weiter im Stift wohnen. Generalvikar Wessenberg bescheinigte dem Fürsten mit Schreiben vom 13. September 1806, "daß diese Landes- und Patronatsherrliche Vorkehr mit ausnehmender und nachahmungswürdiger Liberalität und Wohlwollen für den in Pensionsstand versetzten Stiftklerus ... in Ausführung gebracht worden sei". Die Urkunden und Akten des Stiftsarchivs gelangten teils in das fürstliche Archiv in Zeil, teils in das Pfarrarchiv (heute im Diözesanarchiv Rottenburg). Die von Benefiziat Sebastian Oettle begründete Stiftsbibliothek verblieb in Zeil.
Das Stiftsgebäude stand ursprünglich auf dem heute freien Platz nördlich der Stiftskirche, wurde aber nach dem 30-jährigen Krieg abgetragen und 1680 auf der Südseite neu errichtet. Nach der Säkularisation war es Pfarrhaus, heute ist darin das Archiv der Fürsten von Waldburg-Zeil untergebracht. Die Stiftskirche (Patrozinium: Mariä Himmelfahrt, Konsekration am 26. August 1612) wurde mehrfach umgebaut. Von der ursprünglichen Innenausstattung sind nur das Chorgestühl von Jakob Bendel und die Chororgel von Daniel Heyl erhalten. Sein heutiges Aussehen erhielt der Innenraum größtenteils unter Graf Franz Anton von Waldburg-Zeil (1750-1790). Die Altäre entstanden 1763/64 in der Werkstatt von Joseph Anton Feuchtmayer, die Deckenfresken über der Orgel und im Chor schuf Anton Dick. Auf dem Deckengemälde im Schiff stellte August Braun 1939 nach detaillierten Vorgaben von Fürst Erich von Waldburg-Zeil das Verhältnis von Kirche und Staat in der europäischen Geschichte unter Einbeziehung führender Persönlichkeiten des Hauses Waldburg dar. Die Stiftskirche dient bis heute als Pfarrkirche.
RUDOLF BECK     
LITERATUR
-<ERZBERGER> 407.
- <Württ. Klosterbuch> 523f. (R. BECK).
- <KDW Leutkirch> 97-104.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 82: Konstanz Generalia (Hochstift)
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