Klöster in Baden-Württemberg
Chorherren, weltliche   Klöster im Landkreis Konstanz   
Kollegiatstift St. Johann Konstanz - Geschichte
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Bischof Konrad (934-975) hatte in der zwischen Münster und Rheinbrücke gelegenen Niederburg anstelle einer älteren Friedhofskapelle die Kirche St. Johann gegründet. In den Jahren um 1260 plante eine Gruppe von Klerikern um den Pfarrer von St. Johann, Ulrich von Überlingen, dort ein nicht reguliertes Chorherrenstift einzurichten. Der Bischof bzw. das Domkapitel und der Dompropst stimmten 1266/67 der Neugründung zu. Das Stift, in den Quellen meist "Ecclesia Sancti Johannis in Constantia" genannt, besaß das Doppelpatronat Johannes der Täufer und Johannes Evangelist. Der Gründungsprozess war mit der Genehmigung der Stifts- und Pfründstatuten 1276 beendet.
Das Stift sollte zwölf Pfründen besitzen, die aber nur selten alle vergeben waren. Die Propstei bildete die einzige Dignität, sie wurde meist von einem Domherrn besetzt. Daneben amtierte ein Pleban (Pfarrer), der jedoch erst seit dem 16. Jh. bepfründet war. 1290 wurde die Kantorei, drei Jahre später die Kustodie gestiftet. Ferner entstanden niedere Ämter wie die eines Cellars, eines Messners, eines Stiftspflegers, eines Fabrikpflegers und eines Sekretärs.
Das Stiftsgut, dessen größter Teil bereits zu Beginn des 14. Jh. erworben wurde, lag in und um Konstanz (Bodanrück) sowie im Thurgau, Hegau und Linzgau; den einzigen geschlossenen Herrschaftsbereich bildete das Dorf Lipperswil im Thurgau. Fast alle Stiftskurien befanden sich direkt neben der Kirche.
Die Chorherren stammten anfänglich vorzugsweise aus Konstanz und aus Schwaben, aber auch aus dem Thurgau. Der zunehmende Einfluss von Päpsten, Königen und Fürsten auf die Vergabe der Benefizien gab Patriziern aus kleineren Städten des Umlands vor allem nördlich des Bodensees die Möglichkeit zum Pfründerwerb; die Zahl der bislang dominierenden Angehörigen der Konstanzer Geschlechter und des Landadels nahm immer mehr ab. Zahlreiche kirchenrechtlich gebildete Kleriker besaßen am Stift St. Johann ein Benefizium. So verwundert es nicht, dass in erster Linie im 13. und 14. Jh., dann wieder nach dem 30-jährigen Krieg viele bischöfliche Amtsträger an St. Johann bepfründet waren, so dass man zeitweise von einem "Hofstift" sprechen kann. Außerdem gingen vier Bischöfe aus dem Stift hervor.
Eine Konstante der Stiftsgeschichte bildete der Streit mit dem Dompropst und dem Domkapitel, das St. Johann als eines seiner vier Nebenstifte betrachtete, um die Besetzung der Propstei. Das Recht zur Einsetzung des Plebans (Pfarrers) lag hingegen meist unangefochten beim Dompropst. Als Stadtstift kam St. Johann zudem häufig in Konflikt mit dem Rat oder einzelnen Konstanzer Bürgern, fast immer um Gerichtszuständigkeiten oder Besitzfragen. Darüber hinaus entstanden Auseinandersetzungen mit den Bischöfen, ihren Höhepunkt erreichten diese im Zuge der verstärkten Visitationen ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert.
Nach der Mitte des 14. Jh. gab es erste Anzeichen für einen Niedergang des Stifts, der gleichwohl im Rahmen des allgemeinen Verfalls geistlicher Institutionen dieser Zeit blieb. Es kamen kaum noch Neuerwerbungen an Stiftsbesitz hinzu, die Zahl der Chorherren nahm beständig ab. Die Reformation ging in der Bischofsstadt von der Kirche St. Johann aus: Der dortige Pfarrer, Jakob Windner, machte die neue Lehre bekannt, am Palmsonntag 1525 wurde in St. Johann zum ersten Mal das Abendmahl unter beiden Gestalten gefeiert. Fast alle Kanoniker begaben sich 1527 nach einer Aufforderung des Bischofs nach Überlingen. In den folgenden Jahren zog der Konstanzer Rat Besitz und Einnahmen des Stifts vor allem in der Stadt und im eidgenössischen Einflussbereich an sich, das Kircheninnere wurde 1530 im Bildersturm zerstört. Ab 1550 jedoch musste die inzwischen habsburgisch gewordene Stadt auch mit St. Johann Restitutionsverhandlungen führen: Sie gestand eine Entschädigung, die Instandsetzung der Kirche, die Wiederaufnahme des Gottesdienstes und die Rückkehr der Chorherren zu. Dessen ungeachtet wurde nur ein Teil der Stiftsgüter tatsächlich restituiert, das Kollegiatstift blieb in der Folgezeit äußerst finanzschwach.
Gegen Ende des 16. Jh. verfolgten mehrere Bischöfe den Plan, das verarmte Stift aufzuheben, um mit dessen Kirche, Kurien und Gütern ein Jesuitenkolleg einzurichten. Die Kanoniker konnten sich jedoch erfolgreich gegen derartige Ansinnen wehren, so dass das Konstanzer Jesuitenkolleg eigenständig aufgebaut werden musste. Nach dem 30-jährigen Krieg erlebte St. Johann einen großen Aufschwung, was sich am Ausbau des Besitzes, der Heranziehung von Chorherren für wichtige Aufgaben in der bischöflichen Verwaltung und an einem neu erwachten geistigen und künstlerischen Leben zeigte. Überdies wehrte sich das Kapitel im ausgehenden 18. Jh. unter Berufung auf seine Reichsunmittelbarkeit erfolgreich gegen Ansprüche der Habsburger, das Stift zu besteuern. Im Jahr 1803 begannen im Zuge der Säkularisation Verhandlungen mit der Badischen Regierung über die Aufhebung des Stifts, die 1807 ihren Abschluss fanden. Die Pfarrei wurde 1813 aufgehoben.
Das Stift besaß wohl weder eine eigene Schule noch eine Stiftsbibliothek, lediglich einige in erster Linie kirchenrechtliche Bücher sind im Besitz einzelner Kanoniker nachweisbar. Das Stiftsleben war vom Interesse der Chorherren am kanonischen Recht geprägt. Außerdem waren die beiden Geschichtsschreiber Heinrich von Kappel (1268-1276) und Leonhard Pappus von Tratzberg (1632-1677) Pfründner an St. Johann.
Die so genannte Stiftertafel von St. Johann, deren Konzeption oder Vorlage auf das ausgehende 13. Jh. zurückgehen könnte, zeigt Brustbilder der Gründerchorherren sowie der Stifter der Kantorei bzw. der Kustodie (Konstanz, Rosgartenmuseum). Der Kantor Konrad Habernaß (1313-1319) stiftete zusammen mit einem Domherrn 1317 das Klingenbergfenster im Konstanzer Münster (heute Freiburg, Münster). Mit einem großen Bildprogramm stattete der Kustos Walther von Rossberg (1315-1328) den Chorherrenhof "Zur Kunkel" (Münsterplatz 5) aus.
Die Kanoniker feierten Messen in St. Johann, außerdem nahmen sie an Prozessionen in der Bischofsstadt sowie an bestimmten Festtagen an Gottesdiensten im Münster teil. Der Pleban (Pfarrer) versah die seelsorgerischen Aufgaben in seinem Pfarrsprengel, daneben existierten mehrere Kaplaneien.
Die Fünfwundenbruderschaft, 1665 an St. Johann gegründet, besaß ihren Altar in der Heiligkreuzkapelle. Unter den fünf Direktoren musste mindestens ein Chorherr von St. Johann sein. Die mit zahlreichen Schenkungen ausgestattete Bruderschaft breitete sich in der gesamten Diözese aus, überdies in der Schweiz, Österreich und Italien; sie zog bis 1721 4.320 Mitglieder an. Der Verfall der Bruderschaft setzte Mitte des 18. Jh. ein, 1787 wurde ihr Vermögen dem Stift inkorporiert. Weniger einflussreich war die ebenfalls an St. Johann ansässige Skapulierbruderschaft, die man um 1700 eingerichtet hatte und die ebenfalls ab der Mitte des 18. Jh. an Bedeutung verlor.
Bei der Gründung des Stifts schloss man dem alten Kirchenschiff einen gotischen Langchor an. Zu Beginn des 15. Jh. entstand eine dreischiffige, wohl flach gedeckte Pfeilerbasilika, die 1432 mit dem Anbau der Marienkapelle südlich des Chors und mit der Errichtung des Turms zwei Jahre später vollendet wurde. Von 1735 bis 1743 fand eine umfassende Renovierung statt. Am 13. August 1816 wurde die Kirche exsekriert, ab 1818 diente das Gebäude, dessen Turm man 1830 abriss, als Brauerei. 1889 wurde St. Johann zu einem katholischen Gemeindehaus, einem Hotel und einer Gaststätte umgestaltet.
Das Kircheninventar kam 1813 an das Münster, 1817 versteigerte man weitere Teile; der 1735 entstandene Hochaltar und zwei Seitenaltäre befinden sich heute in Murg (Lkr. Waldshut). Den mittelalterlichen Kirchenschatz hatte bereits der Bildersturm der Reformation zerstört; aus dem 18. Jh. stammen die heute im Münsterschatz befindlichen Silberstatuen der Stiftspatrone und eine Messgarnitur mit Kelch aus vergoldetem Silber. Neben zahlreichen Epitaphien befanden sich in der Kirche zwei Kalkschieferreliefs, eine Pietà und eine Dreifaltigkeitsdarstellung, die heute im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe aufbewahrt werden.
ANDREAS BIHRER     
LITERATUR
-<HelvSac II/2> 308-324 (R. J. BOCK)
- <KB Konstanz> III, 387f.
- <KDB I> 228f.
- K. BEYERLE: Die Geschichte des Chorstifts und der Pfarrei St. Johann zu Konstanz. Freiburg 1908.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 100: Sankt Georgen, Kloster, Amt und Ort
-Generallandesarchiv Karlsruhe 209: Konstanz, Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
-Generallandesarchiv Karlsruhe 82: Konstanz Generalia (Hochstift)
-Generallandesarchiv Karlsruhe E: Papsturkunden 1198-1302
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