Klöster in Baden-Württemberg
Chorherren, weltliche   Klöster im Landkreis Freudenstadt   
Kollegiatstift Hl. Kreuz Horb - Geschichte
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Das Stift wurde 1387 durch Graf Rudolf III. von Hohenberg, der die Grafschaft 1381 an Österreich verkauft hatte, gegründet. Seine Gemahlin, Ita von Toggenburg, erteilte am 8. Dezember 1388 ihre Zustimmung. Rudolf wollte u. a. dem selbstbewussten Bürgertum der Stadt zu einem dauerhaften Institut verhelfen, um die Ausbildung und Versorgung einzelner Kleriker aus Horber Familien zu sichern. Der Stiftung wurden die Kirchen und Kirchensätze von Ihlingen und Eutingen inkorporiert (1387). Der Bischof von Konstanz, Burkhard von Hewen, bestätigte die Stiftung 1390, die päpstliche Bestätigung erfolgte bereits 1391. Die Stiftskirche wurde zur Stadtpfarrkirche erhoben, die bisherige Pfarrkirche in Ihlingen, der Horb als Filial zugeordnet war, wurde nun dem Stift als Filialgemeinde zugewiesen.
Der Pfarrer von Ihlingen wurde erster Propst. Der Pfarrer von Eutingen musste auf seine Rechte zu Gunsten des Stifts verzichten. Neben der Stadt Horb waren zahlreiche Dörfer des Umlands dem Stift zinspflichtig.
Mit dem Tod Rudolfs III. von Hohenberg (+ 1389) fielen die Rechte über das Stift an das Haus Österreich. Die verfassungsrechtliche Struktur war im wesentlichen dem Stiftungsbrief für das Stift Ehingen (heute Rottenburg) des Grafen Hugo I. von Hohenberg aus dem Jahr 1330 entnommen. Elf Chorherren standen unter der Leitung eines Propstes, der vom Kapitel gewählt, vom Landesherrn dem Bischof von Konstanz präsentiert und von diesem bestätigt und investiert wurde. Propst und Chorherren wohnten in der Umgebung der Kirche in verschiedenen Pfründhäusern. Die Kapitelsitzungen fanden im Haus des Propstes statt. Die Statuten und Ordnungen wurden je nach den Bedürfnissen der Zeit bzw. dem Willen des Landesherrn geändert oder ergänzt. Rechte und Pflichten der Chorherren und die Sonderstellung innerhalb der Gesellschaft waren im Stiftungsbrief festgelegt. Erhalten sind die Statuten von 1487/88, 1514, 1623 und 1744. Pfarrer in Horb, Eutingen und den anderen Stiftsdörfern, in denen das Stift das Patronat inne hatte, war im Sinne des Kirchenrechts der Propst. Wer bis zum Beginn des 16. Jh. in Horb die Seelsorge ausübte, ist nicht geklärt. Entweder übernahmen der "Wochner" oder zeitweise "adiutores", Helfer des Propstes, die Seelsorge. Die Anstellung eines Vikars, Leutpriesters oder die Errichtung einer Pfarrstelle hing von den Finanzen ab. Erzherzogin Mechthild von Österreich hat 1476 die Umwandlung einer Chorpfründe in zwei Kaplaneistellen angeordnet. Allerdings rechnen Statuten von 1487 damit, dass jeder Chorherr zur Seelsorge herangezogen werden konnte. In den Zeiten des Umbruchs zu Beginn des 16. Jh. scheint es auf Initiative der Bürger zur Institutionalisierung eines eigenen Pfarrers, der aber nicht Chorherr war, gekommen zu sein.
Eine Predigerstelle wurde von Erzherzogin Mechthild am 19. Januar 1471 gestiftet. An der Ausstattung beteiligten sich Propst und Kapitel, Bürgermeister und Rat. Sie nahmen Einfluss auf die Wahl des Predigers, der Priester sein und einen akademischen Grad (Baccalaureus oder Magister) besitzen musste. Der erste Prediger war der Magister Hans Blocher aus dem Kreis der Gelehrten, welchen die Erzherzogin unterhielt. Neben dem Propst und dem Prediger waren die wichtigsten Ämter der Senior als Stellvertreter des Propstes, der Prokurator, dem die Ökonomie unterstellt war, der Kantor, der für den Gottesdienst verantwortlich war, und der Kustos, der zuständig für die Geräte und Paramente war.
Die Bedeutung des Chorherrenstifts ergibt sich aus der politischen und gesellschaftlichen Stellung im Netzwerk einer vorderösterreichischen Kleinstadt. Die Besetzung der Stellen und Ämter unterlag dem Einfluss und der Abhängigkeit des Landesherrn. Der Einfluss der Bürgerschaft (Schultheiß, Bürgermeister und Magistrat) auf das Stift war nicht unerheblich. Propst und Kapitel wirkten auf die Stadt ein. Zu allen Zeiten war das Stift eine Versorgungsstätte für die Söhne Horber Familien und bot Aufstiegsmöglichkeiten auf der Karriereleiter des Stifts. Da das Stift das Patronat über mehrere Pfarreien ausübte, fand die Familien- und Karrieregeschichte in der Besetzung dieser Pfarreien eine Fortsetzung. Das Gemeinschaftsleben (vita communis), das sich im Liturgischen erschöpfte und durch die Statuten reglementiert wurde, und die Verwaltung der Güterkomplexe waren oft wichtiger als die Seelsorge. In Zeiten des Umbruchs (Reformation, Aufklärung) wurde Kritik an der Seelsorge, die sich auf das Äußere beschränkte (Prozessionen, Totengedenken für weltliche Herrscher, Jahrtagsstiftungen für jedermann) laut. In dieser Kritik wurde aber auch die "Verweltlichung" (Säkularisierung) von innen fassbar, die letztlich zur Auflösung der Chorherrengemeinschaft führte.
Am 6. August 1806 wurde das Stift säkularisiert, nachdem am 12. Januar 1806 württembergische Truppen in Horb eingerückt waren. Propst Franz Sales von Vicari (+ 1817) und Senior Karl Geßler erhielten eine Abfindung. Der Kanoniker Georg Anton Sinz machte als Stadtpfarrer von Esslingen und Stuttgart (St. Eberhard) und schließlich als Oberkirchenrat Karriere (+ 1840). Der letzte "Leutepriester", Georg Anton Schertlin, wurde erster Stadtpfarrer. Die Auseinandersetzungen um die Güter des Stifts zwischen der katholischen Pfarrgemeinde Horb und dem Königreich Württemberg zogen sich fast fünfzig Jahre hin.
Die Bau- und Kunstgeschichte ist bemerkenswert: Die Hl. Kreuzkapelle unterhalb der Burganlage aus spätstaufischer Zeit, die zur Stifts- und Pfarrkirche erhoben wurde, war eine Erinnerung an die Kreuzzüge der Tübinger Pfalzgrafen Rudolf I. und dessen Sohn Hugo III., die 1215 das Kreuz genommen hatten. Hugo IV., der Sohn Hugos III., wurde zum Begründer der Horber Linie. Die Kapelle war im Kontext des Aufblühens der Stadt Horb gegen Ende des 13. und Anfang des 14. Jh. de facto Pfarrkirche. In der Stiftungsurkunde 1387 ist von vier Altarstiftungen die Rede. Bauarbeiten an der Hl. Kreuzkirche, die auf eine Erweiterung oder auf einen Neubau nach der Gründung des Stifts schließen lassen, sind bezeugt. Belegt ist ein Neubau im ersten Drittel des 15. Jh. durch die Weihe von acht Altären und durch datierbare Steinmetzzeichen an dem so genannten "Brautportal". Eine Erweiterung der Stiftskirche nach Westen erfolgte 1475. Über die Gestalt dieser gotischen Kirche, ob Hallen- oder Basilikakirche, ist nichts bekannt. Der Turm erinnert auf alten Veduten an den Turm der Stiftskirche St. Moritz in Ehingen (Rottenburg). Im 17. Jh. wurde die Innenausstattung barockisiert. Der Stadtbrand im Januar 1725 zerstörte Kirche, Propstei und die Häuser der Stiftsherren. Was damals an liturgischen Geräten gerettet werden konnte, gehört zum Kirchenschatz, der heute noch bei der Pfarrkirche aufbewahrt wird, u. a. eine Turmmonstranz (oberrheinisch, Anfang 15. Jh.), ein Kreuzreliquiar mit Assistenzfiguren (Straßburg um 1510), ein Vortragskreuz (oberrheinisch, Ende 15. Jh.) und Geschenke des Fürstabtes Martin Gerbert von St. Blasien, ein Kelch und Messkännchen (um 1770). Nach dem Brand wurde der Chor zunächst provisorisch hergerichtet, so dass bereits im Juli 1725 Gottesdienst abgehalten werden konnte. Für den Neubau des Langhauses, der wegen notorischer Geldknappheit des Stifts nur zögernd voranging, konnten erfahrene Spezialisten aus dem Kloster Zwiefalten gewonnen werden. Baubeginn war im September 1728. Im Mai 1730 war der Rohbau fertig, der Bandelwerkstuck im Langhaus datiert aus dem Jahre 1735. Der Hochaltar konnte im Juli 1733 geweiht werden. Der Chor wurde 1772 in einer Art illusionistischer Draperie in Form eines auf die Wand gemalten Vorhangs ausgeschmückt. Die Maler des Deckenfreskos im Chor und des Freskos auf der Innenseite des Chorbogens (Darstellung der Stiftungsgründung 1387), die 1772 entstanden, sind unbekannt. Zahlreiche Grabsteine der Chorherren und Mitglieder Horber Familien sind in der Hl.-Kreuzkirche und in der Liebfrauenkirche erhalten. Nach Aufhebung des Stifts im Jahr 1806 war die Hl. Kreuz Kirche nur noch Pfarrkirche und wurde mehrmals den Bedürfnissen und dem Geschmack der Zeit entsprechend renoviert.
JOACHIM KÖHLER     
LITERATUR
-<ERZBERGER> 291f.
- <Württ. Klosterbuch> 284-287 (J. KÖHLER).
- <KDW II> OA Horb, 140f., 148.
- J. KÖHLER (Hg.): 600 Jahre Stiftskirche Heilig-Kreuz in Horb. Eine Festschrift. Horb 1987 (Quellen und Lit.).
- K. MATTMÜLLER (Hg.): 600 Jahre Heilig-Kreuz 1387-1987. Erinnerungen an das Horber Kirchenjubiläum. Rottenburg 1989.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 44: Horb, Chorherrenstift zum Heiligen Kreuz
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 44 L: Horb, Chorherrenstift zum Heiligen Kreuz, Rechnungen
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 225: Lagerbücher der Klöster und Stifte: Habsthal-Horb a.N.
-Staatsarchiv Sigmaringen FAS F 13 NVA: Kollegiatstift Horb
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