Klöster in Baden-Württemberg
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Klarissenkloster Wittichen - Geschichte
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Die Gründung des Klosters Wittichen geht auf die Initiative einer charismatischen Persönlichkeit, Luitgard von Wittichen (ca. 1292-1349) zurück. Sie war Mitglied einer Beginengemeinschaft in Oberwolfach, als sie sich aufgrund von Visionen zur Gründung eines Drittordensklosters nach franziskanischer Regel entschloss. Zur Realisierung ihres Unternehmens wandte sie sich 1323 an den Herzog von Teck, der in Schiltach residierte und an die Grafen von Geroldseck, die über das Gebiet Herrschaftsrechte ausübten, in dem sie aufgewachsen war. Die Grafen Georg von Veldenz und Walther von Geroldseck übergaben ihr ein Gebiet für die Errichtung ihres Klosters unterhalb der aufgelassenen Burg Wittichenstein. Mit dem Instrument der Kastvogtei, die sich die Geroldsecker zusichern ließen, schufen sie sich eine Kontrollmöglichkeit über das durch Erz und Holz reiche Witticher Tal. Für das Haus Geroldseck hatte das Kloster offensichtlich strategische Bedeutung, aber auch ideellen Wert als Hauskloster.
Die ersten Jahre nach der Gründung verliefen für das Kloster überaus schwierig, vor allem da die Anstrengungen schon im Jahr 1327 durch einen ersten Brand zunichte gemacht wurden. Doch schon in den 1330er Jahren sind Belege über Schenkungen an das Kloster Wittichen(stein) erhalten, die Besitzzuwachs nicht nur in der Umgebung (Kaltbrunn), sondern darüber hinaus bis in der Schweiz belegen.
1330 konnte die Klosterkirche Aller Heiligen geweiht werden, 1376 nahm die Gemeinschaft die Klarissenregel an. Zu dieser Zeit sollen bis zu 100 Nonnen im Kloster gelebt haben. Im 15. Jh. gelang es dem Kloster auch päpstliche und kaiserliche Schutzbriefe zu erhalten, die es direkt dem apostolischen Stuhl unterstellten und ihm Steuerbefreiungen zusicherten.
In Wittichen und Kaltbrunn bewirtschafteten die Nonnen Güter in Eigenbau. Schon 1336 waren eine Getreide- und eine Sägemühle in Wittichen in Klosterbesitz. Die Nonnen verfolgten im 14. Jh. eine gezielte Besitzpolitik, die Einnahmen stiegen kontinuierlich. Bis zum 15. Jh. wurden Schaffneien zur Besitzverwaltung in Wittichen, Horb, Rottweil, Hochmössingen, Gengenbach, Brugg (Schweiz), Lahr, Straßburg und Villingen eingerichtet.
1540 führte Graf Wilhelm von Fürstenberg die Reformation ein. In den Folgejahren wurde Klosterbesitz veräußert sowie die meisten Wertgegenstände und urkundliche Unterlagen entfernt und teilweise verschenkt. Die Reformation und ihre Folgen brachten das Kloster fast zur Auflösung, und es scheint niemals wieder die früheren wirtschaftlichen (und politischen) Handlungsspielräume erlangt zu haben. Die Zahl der Schwestern verringerte sich zeitweise bis auf zwei Nonnen.
Erst nachdem Wilhelms Bruder Friedrich die Herrschaft im Kinzigtal übernommen hatte und die Gegenreformation einsetzte, gab es für das Kloster wieder eine Zukunft. Die Bemühungen um eine neuerliche Konsolidierung in geistlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht erfuhren durch Plünderungen im 30-jährigen Krieg und Brände in den Jahren 1640 und 1663 schwere Rückschläge. Am Aufschwung des Bergbaus im 18. Jh. hatte das Kloster nur indirekt teil, vor allem durch Beherbergung und Verpflegung der Teilhaber an den Gewerkschaften und fürstenbergischer Amtleute. Ein Gästehaus und einen Ausschank gab es schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts.
Trotz aller Schwierigkeiten war das Kloster mit dem Grab seiner Gründerin Luitgard, die wie eine Heilige verehrt wurde, nach wie vor ein spiritueller Referenzpunkt und Ziel von Wallfahrten aus der Umgebung. Nach der Graböffnung von 1629, bei der ein vollständig erhaltenes Gehirn aufgefunden wurde, bekam die Luitgard-Verehrung spürbar Auftrieb.
Im Zuge der Säkularisation wurde es 1803 aufgelöst. Besitz und Privilegien fielen an die fürstenbergische Herrschaft, die die Klosteranlagen in ein Blaufarbenwerk umwandelte. 1855/57 wurde der größte Teil des Klosters abgerissen. Die Klosterkirche wurde Pfarrkirche der Gemeinde Kaltbrunn.
R. JOHANNA REGNATH     
LITERATUR
-A. HISS: Kaltbrunn-Wittichen einst und jetzt. Chronik einer Schwarzwaldgemeinde und ihres Klosters. Freiburg 1967.
- <AFA> 15 (1970) 13-34 (J. GATZ).
- I. JUST: Die Vita Luitgarts von Wittichen. Text des Donaueschinger Codex 118 (Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700, 31). Bern u.a. 2000.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 116: Lagerbücher fremder Herrschaften über Rechte in Württembergischen Orten
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 235: Lagerbücher der Klöster und Stifte: Waldkirch Würzburg
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 52 a U 321: Archivalien aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg
-Generallandesarchiv Karlsruhe 202: Gengenbach, Stadt und Kloster
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
-Generallandesarchiv Karlsruhe 69 von Hennin:
-Generallandesarchiv Karlsruhe 79: Breisgau Generalia
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