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Johanniterkommende Hemmendorf - Geschichte
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Abbildung  Button Die Johanniterkommende Hemmendorf, Ansicht von S. Hermann, 1808.
Die Gründer der Johanniterkommende dürften wohl der Familie des Ortsadels, der Herren von Hemmendorf, entstammen. Erste urkundliche Erwähnung fand die Kommende im Jahre 1258, als der Orden den gesamten hiesigen Besitz des Klosters Hirsau mit allen Rechten erwerben konnte.
Mit dem Ordensritter Burkhard lässt sich ab 1281 der erste Komtur für Hemmendorf nachweisen. Die wohl recht finanzkräftige Kommende gelangte im 13. und 14. Jh. durch Schenkung und Kauf von Gütern in Hemmendorf und einer Reihe umliegender Dörfer zu einer ansehnlichen wirtschaftlichen Grundlage. Ab dem frühen 14. Jh. folgten demgegenüber auch vereinzelte Veräußerungen.
Die Johanniter besaßen außer in Hemmendorf selbst auch in Dettingen das Patronatsrecht und bezogen die Großzehnten u. a. von Hemmendorf, Dettingen, Schwalldorf und teilweise von Weiler. Zehntrechte gehörten der Kommende auch in Wendelsheim.
Da die Kommende in Hemmendorf ab Anfang des 14. Jh. zeitweise mit dem Ordenshaus in Rexingen zusammen von einem Komtur in Personalunion verwaltet wurde, lassen sich die beiderseitigen Besitzverhältnisse nicht immer eindeutig abgrenzen. Der Komtur der Doppelkommende Hemmendorf-Rexingen residierte zumeist in Hemmendorf.
Die hohe und niedere Obrigkeit und Gerichtsbarkeit im Ort wurde vermutlich schon früh von der Kommende ausgeführt. Gleichwohl erhob das Haus Österreich wiederholt diesbezügliche Ansprüche, da noch 1318 und 1388 die Grafen von Hohenberg und 1407 Herzog Friedrich von Österreich das Ordenshaus in Schutz genommen hatten. Verbunden mit dem auf Sonderrechte des Johanniterordens zurückzuführenden Asylrechts galt das Areal der Kommende als Freihof. Es wurde über die 1492 erwähnte kleine Brücke über den Krebsbach an der südöstlichen Ecke der Komturei betreten.
Die 1275 genannte Kirche und Pfarrei war wohl bereits dem Johanniterspital inkorporiert. An die Stelle des ab 1491 erwähnten Kirchenpatroziniums Unsere Liebe Frau trat zu unbekannter Zeit Johannes der Täufer. Der Komtur ließ die Pfarrei in der Regel durch Welt- oder Klostergeistliche versehen, allerdings erfolgte erst 1675 auf Druck des Bischofs von Konstanz die Festanstellung eines Priesters als Pfarrvikar. Zeitweilig betreuten Franziskanermönche aus Hechingen die Pfarrei.
Die Komture von Hemmendorf gehörten gemeinhin dem Hochadel an, so den Familien von Werdenberg, von Sulz, von Tübingen, von Zollern und von Montfort. Von August Freiherr von Mörsberg und Beffort, ist eine 1603 fertig gestellte Biograhie erhalten.
Unter dem Komtur Graf Viktor Konrad von Thurn und Valsassina wurde die Ordensniederlassung in Hemmendorf 1805/06 aufgehoben, die Besitzungen fielen an Württemberg.
Der Gebäudekomplex der ehemaligen Johanniterkommende bestimmt noch heute das Ortsbild von Hemmendorf. Ein "Hof" der Johanniterbrüder findet erstmals 1279 Erwähnung. Bis 1830 stand das so genannte Hohe Haus, ein mehrstöckiges Steinhaus, das auch als "Erkergebäu" bezeichnet wurde. Daneben wurde 1608/09 ein Schloss erbaut, welches im 18. Jh. außer einem Saal und den Wohnräumen des Komturs eine Küche, eine Schreinerei und eine Kanzlei aufzuweisen hatte. Wirtschaftsgebäude schlossen sich an.
Das alte Schloss wurde 1790/91 bis auf zwei Rundtürme abgebrochen. Zwei Inschriftentafeln mit Wappen erinnern an den Bauherrn Ferdinand von Muggental zu Hexenacker, seinerzeit Johanniterordensrezeptor in oberen deutschen Landen, Komtur zu Hemmendorf und Rexingen, Altmühlmünster und Regensburg.
Die heutige dreiflügelige Schlossanlage wurde 1790/91 unter Komtur Franz Karl Reichsgraf Fugger von und zu Kirchberg und Weissenhorn errichtet. Im neuen Schloss befanden sich die Kanzlei, das Archivgewölbe, ein großer Saal mit zwei "welschen" Kaminen sowie Gäste- und Bedienstetenzimmer. Heute wird es u. a. als Pfarr- und Schulhaus genutzt.
Die mit dem Komtureigebäude verbundene einschiffige gotische Ordenskirche St. Johannes Baptist aus dem 14. Jh. ist 1894/95 nach Westen hin verlängert worden. Die Barockisierung des 18. Jh. im Innern wurde dabei rückgängig gemacht. Von der Ausstattung aus der Johanniterzeit haben sich die spätgotische Sakramentsnische, ein Wappen von 1619 über der Sakristeitür, ein Taufstein (um 1700), die Kanzel mit Renaissance-Intarsien von 1621 sowie im Chor die Epitaphien von Komtur Augustin von Mörsperg (+ 1634) und dem Deutschordenskomtur Wilhelm Schliderer von Lachen (+ 1634) erhalten. Über dem Chorbogen sieht man noch Malereireste von 1629 mit Szenen aus der Legende Johannes des Täufers.
MICHAEL BING     
LITERATUR
-<ERZBERGER> 281f.
- <Württ. Klosterbuch> 269-271 (M. BING).
- <KB Tübingen> II, 259-274.
- <KDW II> OA Rottenburg, 283.
- H. SCHMID: Die Malteser-Kommende Hemmendorf und Rexingen im Spiegel eines Visitationsprotokolls aus dem Jahr 1803. In: <RJKG> 5 (1986) 213-229.
- W. HECHT: Die Johanniterkommende Hemmendorf. In: Der Johanniterorden in Baden-Württemberg 80 (1989) 6-11.
- K. GEPPERT (Hg.): 900 Jahre Hemmendorf. Bauern und Ritter im Dorf der Johanniter. Rottenburg am Neckar/Hemmendorf 2002.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 352: Johanniterorden, Selektbestand
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 355: Hemmendorf und Rexingen, Johanniterkommenden
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 360: Johanniterorden, Amtsbücher
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 218: Lagerbücher des Johanniterordens
-Generallandesarchiv Karlsruhe 89: Heitersheim Generalia
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