Klöster in Baden-Württemberg
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Kapuzinerinnenkloster Pfullendorf - Geschichte
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Chroniken des 18. Jh. berichten von der Bildung einer Beginengemeinschaft in der Reichsstadt Pfullendorf in der ersten Hälfte des 14. Jh., die sich einem religiösen Leben und der Krankenpflege widmete. Die Gemeinschaft nahm 1350 die Drittordensregel des hl. Franziskus an und gehörte zur Straßburger bzw. Oberdeutschen Provinz des Franziskanerordens. Möglicherweise bezieht sich die Erwähnung von "Laienschwestern beim Friedhof" in einer Urkunde von 1339 auf Gründungsmitglieder dieser Gemeinschaft. 1403 erwarben die Schwestern ein neues Domizil gegenüber der Kirche und in der Nähe der Dominikanerinnen, wo das Kloster bis zur Auflösung seinen Standort hatte. Die Konventsgröße soll 30-40 Personen betragen haben. Darüber hinaus ist kaum etwas über die mittelalterliche Geschichte dieser Frauensammlung bekannt.
Im 16. Jh. wurde der Konvent von den auf Durchsetzung der Klausur zielenden Ordensreformen des Trienter Konzils erfasst. Wichtige Etappen auf diesem Weg der Verklösterlichung bildete die Klausurierung eines Teils der Schwestern in der ersten Hälfte des 17. Jh., die Einrichtung eines Oratoriums in der Pfarrkirche mit Verbindungsgang zum Kloster 1612, die Errichtung einer eigenen Kapelle 1598 und die Erlaubnis zur Aufbewahrung des Allerheiligsten darin 1630. Im Verlauf des 17. Jh. nahm die Konventsgröße eine deutlich rückläufige Entwicklung von zwölf Schwestern im Jahr 1624 auf nur noch sechs "alte Schwestern" im Jahr 1707.
Unzufriedenheit mit dem Orden der Franziskaner-Konventualen, der Wunsch nach einer Erneuerung des Klosterlebens, die anziehende Wirkung der Kapuziner und das Beispiel anderer Klöster führten dazu, dass sich die Schwestern, unterstützt von den Konstanzer Bischöfen, ab 1701 um einen Übertritt zum Kapuzinerorden bemühten. Die Bewilligung durch Rom erfolgte schließlich 1707. Dieser Ordenswechsel markiert in mehrfacher Hinsicht einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte des Klosters, das nun die Umbenennung in "Kloster zum Herzen Jesu" erfuhr. Der Konvent wurde daraufhin mit jungen Schwestern, die vor allem aus Tirol stammten, wieder besetzt und behielt noch bis in die zweite Hälfte des 18. Jh. eine vergleichsweise große Mitgliederstärke von zehn bis 18 Chorschwestern und zwei bis drei Laienschwestern. Gleichzeitig mit dem Übertritt wurden die Statuten der Pfanneregger Reform mit Anweisungen für eine verstärkt klösterliche Lebensweise eingeführt, wobei die Pfullendorfer Nonnen von Schwestern des Bregenzer Kapuzinerinnenklosters Thalbach darin unterwiesen wurden. Beide Entwicklungen machten den grundsätzlichen Neubau der Klosteranlage von 1710-1740 nötig, der sich als geschlossener, klausurtauglicher fünfeckiger Komplex mit Kreuzgang und eigener Kirche präsentierte. Die Bauausführung musste das Kloster nach Auseinandersetzungen mit der Pfullendorfer Bauhandwerkerschaft dem Einheimischen Martin Eberle übertragen. Anlässlich der Weihe der Klosterkirche mit drei Altären 1729 setzte der Konstanzer Weihbischof Johann von Sirgenstein zur Förderung der Herz-Jesu-Verehrung die Herz-Jesu-Bruderschaft ein.
Was die innere Organisation anbelangt so war die auf drei Jahre vom Konvent im Beisein des bischöflichen Visitators gewählte Mutter für die "weltlichen" Angelegenheiten zuständig und besass die richterliche Entscheidungs- und Strafgewalt bei Disziplinverstößen. Als weitere Klosterämter sind die Helfmutter, die Novizenmeisterin, Pförtnerin, Küsterin, Gewandmeisterin und die Köchin bekannt. Die seelsorgerliche Betreuung übernahm ein Beichtvater aus dem Kapuzinerkloster in Meßkirch, der im Kloster Wohnung nahm. Mit dem Meßkircher Kloster waren die Kapuzinerinnen der Vorderösterreichischen Provinz des Ordens zugeteilt, bis im Zuge der josephinischen Reformen diese Beziehung zwischen österreichischen und ausländischen Klöstern unterbunden wurde. Danach gehörte das Kloster bis zur Aufhebung der neu gegründeten Schwäbischen Kapuzinerprovinz an. Nachdem der Konvent vor dem Übertritt zu den Kapuzinern vom eigenen Orden visitiert worden war, bestimmte danach der Konstanzer Bischof die Visitatoren, wobei zunächst der Generalvisitator des Bistums selbst, um die Jahrhundertmitte dagegen Kapuzinerpatres und in den letzten Jahrzehnten vor der Aufhebung Weltkleriker, meist Chorherren der Konstanzer Stifte St. Stephan und St. Johann, damit beauftragt wurden.
1725 wurde den Kapuzinerinnen vom Magistrat der Reichsstadt Pfullendorf die Mädchenschule übertragen, nachdem im Kloster bereits ein Pensionat für höhere Töchter bestand. Die Übernahme dieser Unterrichtsverpflichtungen erbrachte durch das Schulgeld eine Ergänzung der Klostereinkünfte, die hauptsächlich auf Abgaben der mit zwei Lehenhöfen in Pfullendorf und dem Dorf Leitishofen sehr gering ausgestatteten Grundherrschaft des Klosters und Zinszahlungen aus verliehenem Kapital beruhten. Ein wesentlicher Teil des Unterhalts wurde durch Almosen bestritten, durch dessen Verminderung in der zweiten Hälfte des 18. Jh. die Verschuldung des Klosters immer mehr anstieg; parallel dazu nahm die Konventsgröße im letzten Viertel des 18. Jh. kontinuierlich bis auf neun Chorschwestern und zwei Laienschwestern im Jahr 1803 ab. Abgesehen von den Tirolerinnen, die im Zuge des Übertritts zum Kapuzinerorden beitraten, waren die meisten Schwestern Töchter oberschwäbischer Stadtbürger. Vereinzelt stammten Konventsmitglieder aus Adelsgeschlechtern, wie die beiden Mütter Maria Salesia, geb. Gräfin von Rumpf (1769-1774) und Maria Aloysia, geb. von Muschgay aus Rottenburg (1782-1807).
Wegen der prekären finanziellen Lage des Klosters fasste der Rat der Stadt Pfullendorf im Dezember 1802 einen Aufhebungsbeschluss. Infolge des Reichsdeputationshauptschlusses ging das Kloster 1803 an den Deutschen Orden über, der einen Teil des Gebäudes für die Nutzung durch das Obervogteiamt dem badischen Staat überließ, in dessen Besitz gelangte das gesamte Kloster nach dem Preßburger Frieden. Die auf diese Weise in ihrer klösterlichen Lebensweise beeinträchtigten Schwestern traten 1808, nachdem ihr Beichtvater das Kloster verlassen musste, endgültig "in die Welt".
Die Klosterkirche wurde, nachdem sie zunächst noch für die im Rahmen der kirchlichen Aufklärung eingeführten Kindergottesdienste verwendet worden war, 1823 abgerissen, ein Teil des Klosterkomplexes an einen Apotheker verkauft und der Hauptteil bis 1896 als Bezirksamtsgebäude genutzt. Der seither in städtischem Besitz befindliche Klosterbau diente seit 1894 verschiedenen schulischen Einrichtungen als Domizil und bietet nach Umbaumaßnahmen im Jahr 2000 Unterkunft für Notariat, Grundbuchamt, Musikschule und Ratssaal. Der Nordostflügel mit seinem Gesimsschmuck und illusionistischen Fenstergewänden an der Fassade sowie Stuckdecken im Innern hat bis heute seinen barocken Charakter bewahrt. Im Innenhof der Anlage erinnern noch einzelne Arkaden an der Apothekenwand an den ehemaligen Kreuzgang und ein Relief mit der Darstellung des Herzens Jesu mit den Leidenswerkzeugen an den einstigen Klosternamen.
Von den Ausstattungsstücken gelangte eine in ein barockes Wettersegenskreuz eingearbeitete Heiligkreuzreliquie in die Pfarrkirche Illmensee und ein Auferstehungschristus nach Aftholderberg. Statuen des hl. Franziskus und Antonius, die früher am Portal des Ostflügels angebracht waren, befinden sich nun in der St. Leonhardskapelle in Pfullendorf. Der Verbleib der weiteren künstlerischen Ausstattungsstücke der Klosterkirche, zu denen auch ein öffentlich zugänglicher, einst in der Bevölkerung sehr beliebter Kreuzweg gehörte, ist unbekannt.
TOBIAS TEYKE     
LITERATUR
-<AFA> 5 (1959) 142-215 (J. SCHUPP).
- T. TEYKE: Das Franziskanerinnenkloster in Pfullendorf. In: <Klöster im Landkreis Sigmaringen> 363-395.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 217: Pfullendorf, Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
-Generallandesarchiv Karlsruhe 70 Pfullendorf:
-Generallandesarchiv Karlsruhe 82: Konstanz Generalia (Hochstift)
-Generallandesarchiv Karlsruhe 95: Petershausen
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