Klöster in Baden-Württemberg
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Kollegiatstift St. Michael Sinsheim - Geschichte
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Die Existenz eines Augustiner-Chorherrenstifts des 11. Jh. auf dem nördlich der Stadt gelegenen Michelsberg ist ungewiss. Bischof Johann von Speyer gründete dort 1092 auf Eigengut ein Benediktinerkloster und besiedelte es mit Mönchen aus Siegburg. Um das in der Wormser Diözese gelegene Kloster auch seiner geistlichen Jurisdiktion zu unterstellen, nahm Johann im November 1099 im Tausch mit dem Wormser Bischof eine Arrondierung seines Sprengels vor. Im folgenden Jahr übergab er seine Stiftung der Speyerer Kirche und eximierte das Kloster von der Jurisdiktion des zuständigen Dekans und Archidiakons.
Die gute wirtschaftliche Fundierung im Kraich- und Elsenzgau sowie im Enzgau war die Basis für ein weiteres Prosperieren des Klosters. Daneben hatte es auch linksrheinische Besitzungen im Speyer-, Nahe-, Wormsfeld- und Hattgau, die mit Ausnahme der Besitzungen im Speyergau bald wieder abgestoßen wurden. Zum Grundbesitz kamen noch Patronatsrechte in ähnlichem geographischen Umfang. In die Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs fällt auch um 1160 die Gründung der einzigen Propstei, St. Ägidius in St. Ilgen.
Trotz der 1100 dem Kloster zugesicherten freien Vogtwahl musste das Kloster sich 1179 und 1186 durch päpstliche Schutzbriefe gegen Übergriffe der Vögte aus dem Geschlecht der Edlen von Wiesloch erwehren. Mit dem Besitz der Stadt Sinsheim kam möglicherweise auch die Vogtei über das Kloster im Jahr 1192 an Kaiser Heinrich VI. 1362 gelangte die Vogtei endgültig an die Pfalzgrafschaft bei Rhein.
Nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten im 13. Jh. kam das Kloster wieder in stärkere Abhängigkeit von den Speyerer Bischöfen und wurde in die Landkapitelorganisation integriert. Während unter Abt Appel von Finsterloch das Kloster noch führend an der benediktinischen Reformbewegung des frühen 15. Jh. beteiligt war, stockte die Reformhaltung unter seinen Nachfolgern.
Nachdem in der zweiten Hälfte des 15. Jh. bischöfliche Versuche, eine strengere Observanz in Sinsheim durchzusetzen gescheitert waren, entschieden sich Abt, Prior und Konvent des Klosters zur Umwandlung in ein adeliges Säkularkanonikerstift. Papst Alexander IV. erteilte 1496 dazu seine Genehmigung. Als Dignitäten wurden Propstei und Dekanat eingerichtet. Darüber hinaus hatte das Stift sieben Kanonikate und zehn Vikariate. Zur Verbesserung der finanziellen Situation wurde die Präpositur nach dem Tod des Georg von Helmstatt nicht mehr neu besetzt.
Im Gegensatz zur Stadt Sinsheim blieb das Stift vom Bauernkrieg 1525 nicht verschont. Es wurde geplündert und verschiedene Gebäude wurden beschädigt. Auch um die innere Verfassung des Stifts war es nicht zum Besten bestellt: Eine bischöfliche Visitation deckte im Januar 1550 verschiedene Missstände, u. a. im Konkubinat lebende Kleriker, auf.
Ein erster Versuch Ottheinrichs, die Reformation im Sinsheimer Stift einzuführen, scheiterte 1557 am Widerstand der Stiftsherren. Sein Nachfolger, Kurfürst Friedrich III., führte die Reformation dann 1565 persönlich und gewaltsam durch. Er ließ die Altäre niederreißen und gemeinsam mit den Ornaten, Bildern und anderen Ausstattungsgegenständen verbrennen. Dann verwies er die Kanoniker aus dem Stift.
Während der mit dem Kapitel zerstrittene Dekan Wernher Nothaft von Hohenberg sich an das Ritterstift Bruchsal wandte, begaben sich die übrigen Kanoniker nach Worms zu ihrem Mitkanoniker, dem dortigen Bischof, Dietrich von Bettendorf. Das Stift führte im Wormser Exil seine Existenz weiter, doch scheiterten alle Bemühungen eine Restitution zu erreichen. Der Tod des letzten Dekans, Philipp Christoph von Sötern (1572-1595), beendete die Existenz des Stifts. Episode blieb die Neugründung während des 30-jährigen Krieges unter Peter von Ouhren, da die Kurpfalz das Stift nach dem Westfälischen Frieden endgültig aufhob.
Die Klosterkirche des Mittelalters war eine dreischiffige Basilika mit einem Haupt- und zwei Nebenchören. Von dieser Anlage steht heute nur noch das Mittelschiff bis zur ehemaligen Vierung. In den 20er Jahren des 16. Jh. wurde der heutige Turm als Westabschluss des südlichen Seitenschiffes erbaut und diente in seinem Untergeschoss als Eingangshalle für die Kirche. In die gleiche Zeit fällt auch der Einbau eines spätgotischen Lettners in das Kirchenschiff, das unter Peter Ernst von Ouhren barock ausgemalt wurde. Die Gebäude des Stifts dienten nach dessen Aufhebung zunächst als Wohnung für den Stiftsschaffner, die Kirche wurde als Scheune genutzt. Erst die Nutzung als "Jugendstift Sunnisheim" seit 1921 hat die Gebäude in ihrer Substanz gesichert.
OLIVER FIEG     
LITERATUR
-<GermBen> V, 590-598 (F. QUARTHAL).
- <KDB VIII/1> 93-95, 104-115.
- K. WILHELMI: Die Auflösung des adeligen Collegiat-Stiftes Sintzheim nach den Annales Sinshemienses und meistens noch ungedruckten Pergamenten, Copial-Büchern und Acten. In: Schriften des Alterthums-Vereins für das Großherzogtum Baden zu Baden und seines Filial-Vereines der historischen Section des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte zu Donaueschingen 1 (1846) 258-313.
- DERS.: Geschichte der vormaligen freien adeligen Benediktiner-Abtei Sunnesheim (Dreizehnter Jahresbericht an die Mitglieder der Sinsheimer Gesellschaft zur Erforschung der vaterländischen Denkmale der Vorzeit). Sinsheim 1851.
- J. SEMMLER: Sinsheim, ein Reformkloster Siegburger Observanz im alten Bistum Speyer. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 8 (1956) 339-348.
- H. GRAFEN: Der älteste Besitz des Klosters Sinsheim an der Elsenz (11. und frühes 12. Jahrhundert. In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 20 (1994) 7-35.
- O. FIEG: 1100 - eine Urkunde und ihre Folgen. Die Gründung des Michaelsklosters in Sinsheim und der Enzgau. In: Der Enzkreis. Jahrbuch 9 (2001) 9-15.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
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