Klöster in Baden-Württemberg
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Benediktinerabtei Alpirsbach - Geschichte
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Abbildung  Button Klosterkirche Alpirsbach: Kreuzigung. Fresko in der Chornische, spätes 13. Jh.
Im Jahr 1095 gründeten die "Vornehmen" Ruotmann von Hausen, Adalbert von Zollern und Graf Alwig von Sulz in Alpirsbach ein Mönchskloster. Sie unterstellten es dem Papst und erlaubten die freie Wahl des Vogts, "damit die hier lebenden Mönche Gott ohne Störung dienen könnten".
Die Persönlichkeiten, darunter Bischof Gebhard III. von Konstanz und Abt Uto von St. Blasien, die sich in der Zeit des Investiturstreits an dieser Stiftung beteiligten, waren Anhänger der Kirchenreform und Parteigänger des Papstes. Abt Uto baute, wie zuvor in Wiblingen, Ochsenhausen und Göttweig (Österreich), den Konvent auf. So entstand Alpirsbach als Tochter des Reformzentrums St. Blasien und übernahm dessen "Gewohnheiten".
Den Klosterbezirk bildete das den Gründern gehörende "Besitztum Alpirsbach", eine von der oberen Kinzig durchzogene Berglandschaft von etwa 50 qkm Fläche. Außerdem schenkten sie Güter in mehreren Orten am oberen Neckar und auf der Baar, die später von den Pflegen Balingen, Haigerloch, Oberndorf, Sulz a. N. und Rottweil verwaltet wurden.
1099 weihte Bischof Gebhard eine Kirche, die spätere Leutkirche, deren Torturm noch steht. Papst Paschalis II. schickte dem "Kloster des hl. Benedikt" 1101 eine Schutzurkunde. Damals trat Adalbert von Zollern in das Kloster ein und vermachte dem Konvent zusätzlichen Besitz in der Weinbauregion des Breisgaus. Wohl am 3. Mai 1128 weihte Bischof Ulrich II. von Konstanz die Klosterkirche dem hl. Nikolaus.
1123 stellte Kaiser Heinrich V. ein Diplom aus, in dem er die freie Wahl von Abt und Vogt bestätigte. Vögte waren im 12. Jh. die Grafen von Zollern, Verwandte des Mitstifters Adalbert, unter denen das Amt sich trotz "römischer Freiheit" vererbte. Die Bindung an eine Adelsfamilie bestand auch im 13. und 14. Jh., als die Herzöge von Teck die Vogtei innehatten. Ihnen folgten die Grafen von Württemberg, die für ein regeltreues Leben und die wirtschaftliche Gesundung sorgten.
1293 ist die Schule für die Novizen belegt. Das 15. Jh. stand im Zeichen monastischer Reformen, denen sich die Mönche - zumeist Angehörige benachbarter Niederadels- und Patrizierfamilien - widersetzten. Es kamen Mönche aus Wiblingen, die Hieronymus Hulzing zum Abt wählten (1479-1495). Er erreichte die Aufnahme in die Bursfelder Kongregation und entfaltete eine rege Bautätigkeit, so dass er "zweiter Gründer" genannt wurde. Aus dieser Zeit stammen die 150 Handschriften und Drucke, die ein Katalog von 1619 verzeichnet; erhalten ist nur eine Inkunabel.
In den Bannkreis Luthers geraten, verließ 1522 der Prior Ambrosius Blarer das Kloster, das 1535 durch Herzog Ulrich von Württemberg reformiert wurde. Katholische Restitutionen (1548-1556 und 1629-1648) blieben Episode, auch die Internatsschule für den evangelischen Pfarrernachwuchs mit insgesamt 200 Schülern bestand nur kurz (1556-1595). Die Verwaltung der Güter der aufgehobenen Benediktinerabtei durch das Klosteramt Alpirsbach ging bis 1810, die Prälatenstelle des "Abts von Alpirsbach" war bis 1806 mit evangelischen Geistlichen besetzt.
Die Klosteranlage ist fast komplett in romanischen und gotischen Formen erhalten und besitzt als religiöses Baudenkmal überregionalen Rang. Die in der ersten Hälfte des 12. Jh. erbaute Klosterkirche (heute: evangelische Pfarrkirche) gehört zu den bedeutendsten Monumenten klösterlicher Reformarchitektur: dies aufgrund der harmonischen Proportionen und klaren Formen, ihrer "asketischen Grundhaltung" (Kolb), in der Anspruch und Kraft der mönchischen Reformbewegung greifbar werden.
Das um 1150 nach burgundischem Vorbild geschaffene Tympanon über dem Hauptportal zählt zu den Spitzenleistungen romanischer Plastik: Christus thront in der Mandorla ("Majestas Domini"), die von zwei Engeln getragen wird; seitlich knien ein Mönch und eine Frau. Eine Besonderheit sind auch die 4 Meter hohen Monolithsäulen im Langhaus. Die Kapitelle der östlichen Säulen tragen Köpfe mit Schlingbändern bzw. Drachen, die in ihrer Gegensätzlichkeit Himmel und Hölle symbolisieren. Die Ausmalung der Chornische (Kreuzigung und Jüngstes Gericht) stammt aus dem späten 13. Jahrhundert. Die bronzenen Löwenkopf-Türzieher am Portal sind bedeutende Exemplare romanischer Tierplastik. Aus dem 14. Jh. stammt die 7 Meter lange, gedrechselte Bank, die zu den seltenen Möbeln dieser Art gehört. Erhalten sind auch zahlreiche Grabmäler, darunter zwei romanische Platten. Das um 1520/25 in der Schule des Ulmer Künstlers Niklaus Weckmann angefertigte Marienretabel zählt zu den großen Schnitzaltären der ausgehenden Spätgotik in Schwaben.
Die spätgotische Klausur präsentiert sich weitgehend im Zustand des ausgehenden 15. Jh. Der Gebäudekomplex ist eine der wenigen gut erhaltenen mittelalterlichen Klausuranlagen der Benediktiner in Deutschland. Die Räumlichkeiten sind in der Tradition des abendländischen Klosterbaus um einen Atriumhof mit umlaufendem Kreuzgang angeordnet und vermitteln ein anschauliches Bild vom Zusammenleben der Mönchsgemeinschaft. Der Ost- und Südflügel war der weltabgewandte Lebensbereich der Mönche mit dem Kapitelsaal, den Aufenthalts- und Schlafräumen sowie dem Speisesaal mit Küche (das ehemalige Refektorium ist heute katholische Kirche). Der Westflügel enthielt neben dem Keller die Wohn- und Repräsentationsräume des Abts, nach außen gewandt sind der Abtserker sowie ein die Gründer und Vögte ehrender Wappenfries. Das ehemalige Kranken- und Badehaus steht im Südosten. Im Dormitorium gibt es Sgraffiti der Klosterschüler; aufgefundene Handschriften, Kleider und Schuhe geben Einblick in das Alltagsleben des 16. Jh. Im Infozentrum sind Geschichte und Klosterleben dokumentiert.
HANS HARTER     
LITERATUR
-<Württ. Klosterbuch> 170-172 (H. HARTER).
- <GermBen> V, 117-124 (K. SCHREINER).
- <KDW II> OA Oberndorf, 213-216.
- G. KOLB: Kloster Alpirsbach. München / Zürich 3. Aufl. 1990.
- Alpirsbach. Zur Geschichte von Kloster und Stadt. Hrsg. v. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Forschungen und Berichte der Bau- und Kunstdenkmalpflege Baden-Württemberg 10). 3 Bde. Stuttgart 2001.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 470: Alpirsbach
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 470 L: Klosteramt Alpirsbach
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 102/2: Geistliche Lagerbücher: Kloster Alpirsbach
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 14 Bd. 4, 5: Diplomatare
-Generallandesarchiv Karlsruhe 100: Sankt Georgen, Kloster, Amt und Ort
-Generallandesarchiv Karlsruhe 193: Wolfach, Amt und Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
-Generallandesarchiv Karlsruhe 82: Konstanz Generalia (Hochstift)
-Staatsarchiv Sigmaringen FAS F 20 NVA: Klosteramt Alpirsbach
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