Klöster in Baden-Württemberg
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Franziskanerkloster Waldsee - Geschichte
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In der kleinen vorderösterreichischen Stadt Waldsee wurde 1650 ein Franziskanerkloster der tirolischen Ordensprovinz gegründet. Es hatte zwei Vorgängerbauten, den Schussenrieder Fluchthof und die Kapelle zur Himmelpforte, gemeinhin Krettlinskapelle genannt.
1649 fanden vertrauliche Verhandlungen zwischen den Saulgauer Franziskanern und dem Waldseer Rat statt über eine Gründung eines "Clösterlins". Die Saulgauer hatten ihr Vorhaben eigentlich in Wolfegg verwirklichen wollen, waren aber aus gegebenen Gründen abgewiesen worden, bestand doch dort seit 1519 ein Kollegiatstift.
Ein Jahr später erlaubte der Rat den Bau (30. Juni 1650); die Minderbrüder durften Baumaterial aus der nahe gelegenen Ruine Neuwaldsee, die dem Haus Waldburg-Wolfegg gehörte, beschaffen.
Die Stadt erwarb im Tausch mit dem Abt von Schussenried dessen Fluchthof, die Krettlinskirche wurde abgetreten und zudem noch ein Haus hinter der Kirche angekauft "zu bequemblichen Erbauung ihrer Kürchen". Der Schussenrieder Hof wurde nun mit der neu erbauten Kirche durch zwei Trakte verbunden, so dass eine kleine Vierflügelanlage mit einem Kreuzgang entstand, die frappierend dem Kloster in Saulgau glich. Baumeister waren Sebastian Seiser und der Innsbrucker Frater Vitus Raspenspieler. Die Weihe fand am 13. Oktober 1656 statt und ein Guardian konnte mit zwölf Brüdern einziehen. 1764 wurde die Bewohnerzahl mit 27 angegeben, 1779 waren es wieder 22 Patres mit Guardian Christian Lotter und fünf Fratres, bei der Säkularisation 1806 noch zwölf Patres, sechs Studenten und vier Brüder, die erst nach Ehingen, dann nach Saulgau zogen, denn das dortige Kloster bestand bis 1811. Der letzte Guardian, P. Basilius Manz, und seine Konfratres hatten einen guten Ruf, allesamt seien sie "vom Mönchsbigottismus weit entfernt". Wie im Waldseer Franziskanerinnenkloster St. Klara kamen auch hier sehr viele Patres aus dem heutigen Bayerisch-Schwaben, vornehmlich aus Augsburg.
Die Franziskaner übten sich eifrig in Gottesdienstaushilfen, Unterstützung der Pfarrseelsorge, besonders des Umlands, vor allem mit der geistlichen Versorgung der eigenen und der nahen Frauenbergkapelle, übten praktische Gegenreformation durch Bruderschaften, Prozessionen und Ablassverrichtungen, waren häufig beanspruchte Beichtväter, und dass sie es mit der Armut ernst meinten, sieht man 1791 an der Schätzung "aller Pretiosen" des Klosters auf nur 433 Gulden. Dabei hatten sie 1735 die Kirche vergrößert. 1741 bewilligte der Rat 156 Gulden für die Anschaffung eines Ornats mit der Bedingung, dass das Stadtwappen auf die Kasel gestickt werde.
1806 wurde Waldsee württembergisch. Das Waldseer Bettelordenskloster wurde säkularisiert, trotz einer Petition von 65 Waldseer Bürger an den neuen König. "Bücher und Kirchengeräte lagen wie Heu und Stroh umher, alles war nahezu förmlich Preis gegeben", urteilte ein Zeitgenosse. Geringe Teile der Klosterbibliothek wurden an die heutige Landesbibliothek in Stuttgart gegeben, zwei Drittel aber "dem Zentner nach als Altpapier verkauft".
Das Gebäude wurde Kameralamt, die Kirche vorübergehend Fruchtschütte (Kornhaus). Ab 1855 war bis zur Auflösung 1938 das Oberamt Waldsee hier untergebracht. Nach 1812 veränderte sich auch das Aussehen drastisch, der straßenseitige Trakt wurde abgerissen, der Kreuzgang nur noch als rechteckig abgewinkelter Gang übrig gelassen, das Zwiebeltürmchen verschwand. Im alten Oberamt befindet sich heute ein"Ämtergebäude" mit Polizei und Forst-, Vermessungs- und Finanzamt, dessen Tage auch schon gezählt sind.
MICHAEL BARCZYK     
LITERATUR
-<ERZBERGER> 299.
- <Württ. Klosterbuch> 496f. (M. BARCZYK).
- <KDW Waldsee> 49.
- M. MILLER: Die Aufhebung des Franziskanerklosters zu Waldsee. In: Kirchenanzeiger f. d. kath. Stadtpfarrei Waldsee 26-31 (1929).
- H. MAYER: Die Kapelle zur Himmelpforte in Waldsee. In: Aus unserer Heimat. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur 1 (1969).
- M. BARCZYK: Chronik der Stadt Waldsee 330 - 1806 von Joh. Sailer. In: DERS./ G. KIEMEL: Bad Waldsee - Zeugnisse aus Zeit und Zeitung. Bad Waldsee 1984.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 538: Wolfegg, Stift
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 63 Bü 113 b: Vorderösterreichische Regierung und Kammer betr. Oberamt Tettnang
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 146 Bü 7386: Ministerium des Innern III
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart J 40/7 Bü 408: Nachlass Max Miller (1901-1973)
-Staatsarchiv Ludwigsburg D 112 Bü 71: Bayerische Mittelbehörden in Ulm
-Staatsarchiv Ludwigsburg D 21 Bü 104, 105, 106: Zentralorganisationskommission
-Staatsarchiv Ludwigsburg D 38 Bü 112, 429: Rechnungswesen
-Staatsarchiv Ludwigsburg D 39 Bü 660: Landbauwesen
-Generallandesarchiv Karlsruhe 225: Überlingen, Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
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