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Bruderhaus der Paulaner auf dem Gottesberg bei Wurzach - Geschichte
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Abbildung  Button Hochaltar der Wallfahrtskirche auf dem Gottesberg von Johannes Ruez, 1713.
Das Wallfahrtsheiligtum zum hl. Kreuz auf dem Gottesberg, "Wurzachs Zierde und Wahrzeichen" (R. Kempter), war nicht von Anfang an mit einer klösterlichen Niederlassung verbunden. Der regierende Graf Ernst Jakob von Waldburg-Zeil-Wurzach (1673-1734) und seine Gemahlin Anna Ludovica (1679-1736) stifteten 1704 eine Pfründe und ließen 1709 mit bischöflicher Genehmigung auf der Anhöhe südöstlich von Wurzach, die schon früher "Gottesberg" genannt wurde, eine Heilig-Grab-Kapelle mit einer Nachbildung der Heiligen Stiege und eine Einsiedelei bauen. Man wallfahrtete von der Wurzacher Pfarrkirche an sieben Stationen vorbei zur Kapelle auf dem Gottesberg, verehrte dort das Sterben und die Grablegung des Herrn und betete um eine gute Sterbestunde (Wallfahrtsbüchlein von 1710). Schon 1712/13 ließ das Stifterpaar einen Erweiterungsbau, die heutige Wallfahrtskirche, ausführen (Patrozinium Fest Kreuzerhöhung, 14. September). Die eindrucksvolle Kreuzigungsgruppe auf dem Hochaltar und das Schnitzwerk der beiden Seitenaltäre, auf denen der Tod der Gottesmutter und des hl. Josef dargestellt ist (die "heiligen drei End"), schuf der seit 1712 in Wurzach ansässige Tiroler Bildhauer Johannes Ruez. Die priesterliche Betreuung der viel besuchten, mit zahlreichen Privilegien ausgestatteten Kirche nahm ein von den Stiftern dotierter Kaplan wahr, den Mesnerdienst versah ein Eremit. Die 1712 ebenfalls vom Wurzacher Grafenhaus begründete Todesangst-Christi-Bruderschaft, auch "Bruderschaft vom guten Tod" genannt, hatte schon ein Jahr nach der Gründung über 500 eingeschriebene Mitglieder.
Mitte des 18. Jh. bestand die Absicht, auf dem Gottesberg ein Kapuzinerkloster zu errichten, und der durch seine frommen Stiftungen bekannte Pfarrer Dr. Johann Wilhelm Rom von Arnach hinterließ für diesen Zweck ein Kapital von 6.000 Gulden. Das Vorhaben erhielt jedoch nicht die bischöfliche Genehmigung, weil materielle Nachteile für die Bettelorden in der Nachbarschaft zu befürchten waren. Erst 1763/64 gelang es, drei Terziarierbrüder des Paulanerordens auf dem Gottesberg anzusiedeln. Sie verfügten über ein ausreichendes Vermögen, um das Bruderhaus unterhalten und den Mesnerdienst unentgeltlich versehen zu können. Gegenüber dem Ordinariat bzw. dem Landesherrn mussten sie sich verpflichten, nicht mehr als drei Mitglieder aufzunehmen, keine Spenden zu sammeln, keine Immobilien zu erwerben und dem Ortspfarrer "blinden und vollkommenen Gehorsam" zu leisten. Die mit einem schwarzen Habit bekleideten Brüder, die unter dem Schutz und der Oberaufsicht der Prämonstratenserabtei Rot standen, verdienten ihren Lebensunterhalt durch Handarbeit, hauptsächlich durch Wollspinnerei, Damast- und Barchentweberei. Ihre Erzeugnisse waren offenbar so gefragt, dass es 1774 zu einem Streit mit den Wurzacher Krämern und Webern kam. Mit den Paulanerbrüdern gelangte auch der reiche Reliquienschatz ihres 1762 in Markt Rettenbach verstorbenen Mitbruders Frater Theophilus Maria Miller de Malkowitz auf den Gottesberg, darunter die heiligen Leiber der Märtyrer Redemptus, Reparatus und Eutropia, die 1767 in die Altäre der Kirche eingelassen wurden, und eine Heilig-Blut-Reliquie. Diese stammte aus dem Privatbesitz des Papstes Innozenz XII., war 1693 durch einen Rompilger aus Günzburg nach Schwaben gelangt und schließlich von dessen Familie 1732 an Bruder Theophilus geschenkt worden. Obwohl die Wallfahrt auf den Gottesberg durch die Paulanerbrüder einen neuen Aufschwung erlebte, fiel die kleine Brüdergemeinschaft der Säkularisation zum Opfer. Fürst Eberhard von Waldburg-Zeil-Wurzach erklärte das Bruderhaus mit Dekret vom 25. Juli 1806 für aufgehoben, beließ die Brüder aber auf Lebenszeit im Genuss ihres Vermögens. Der darauf folgende Streit zwischen dem Königreich Württemberg und dem fürstlichen Haus Waldburg-Zeil-Wurzach wurde 1812 vertraglich beigelegt. Dem fürstlichen Haus Wurzach fielen die Gebäude zu, der Staat zog die Kapitalien ein und setzte jedem der Brüder auf Lebenszeit eine jährliche Pension von 100 Gulden aus. Der letzte Wurzacher Paulanerbruder, Josef Hotz von Legau, starb 1835. Dass die Wallfahrt auf dem Gottesberg der Vergessenheit entrissen wurde, ist nicht zuletzt den Forschungen des Kreuz-Kaplans Karl Finkbeiner zur Geschichte der Pfarrei Wurzach (1905-1907) zuzuschreiben. 1912 schenkte Fürst Georg von Waldburg-Zeil-Trauchburg Kirche und Bruderhaus der Pfarrgemeinde Wurzach, die 1921 Salvatorianer auf den Gottesberg holte. Bis heute ist der Gottesberg vor allem dank der Heilig-Blut-Reliquie ein im besten Sinne volkstümlicher Wallfahrtsort geblieben und das 1928 eingeführte, immer am zweiten Freitag im Juli gefeierte Heilig-Blut-Fest mit Reiterprozession ("Blutritt") gehört zu den großen religiösen Ereignissen Oberschwabens.
RUDOLF BECK     
LITERATUR
-<ERZBERGER> 405.
- <Württ. Klosterbuch> 519f. (R. BECK).
- <KDW Leutkirch> 173-176.
- K. FINKBEINER: Aus der Pfarreigeschichte von Wurzach. I. Der Gottesberg bei Wurzach. In: <DAS> Nr. 11/12 (1905); Nr. 1-4 (1906).
- R. SCHNEIDER / R. KEMPTER: Bad Wurzach. Geschichte und Denkmäler. Bad Wurzach 1963. I O. BECK: Gottesberg Bad Wurzach. München-Zürich 1989.
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