Klöster in Baden-Württemberg
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Jesuitenkolleg Rottenburg - Geschichte
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Erste Versuche zur Ansiedlung des Ordens in Rottenburg durch den Landesfürsten 1623 und 1628 blieben erfolglos. Erst 1649 konnte die Niederlassung mit Jesuiten, die nach dem Ende des 30-jährigen Kriegs aus Tübingen vertrieben worden waren, endgültig errichtet werden. Das Haus, als Residenz gegründet, wurde 1668 zum Kolleg erhoben. Die Seelsorge an der Wallfahrtskirche im Weggental übernahm der Orden 1653. Die von den Jesuiten 1650 eingerichtete öffentliche Lateinschule konnte ab 1668 als Gymnasium betrieben werden.
Neben ihrer schulischen Tätigkeit wirkten die Jesuiten vor allem in der Seelsorge. Bereits 1649 wurde ihnen die Kirchenkatechese in der Rottenburger Stiftspfarrei St. Moriz übertragen, 1719 die in der zweiten Pfarrei St. Martin; dort predigten sie ab 1735 regelmäßig an Sonn- und Feiertagen. Im weiteren Umkreis der Stadt und im benachbarten Hohenzollern arbeiteten sie als viel gefragte Volksmissionare und führten Exerzitien für Priester durch.
Besondere Breitenwirkung erreichten die Bruderschaften der Jesuiten. Im Weggental gründeten sie 1669 eine Wallfahrtsbruderschaft "Zur Verehrung der heiligen Namen Jesus, Maria und Joseph", die um 1731 mehr als 9.000 Mitglieder hatte. Schon 1652 war die Bruderschaft "Unser Lieben Frauen Verkündigung" errichtet worden, die 1752 über 5000 Mitglieder zählte, zwei Drittel davon im benachbarten Hohenzollern. Diese Marianische Kongregation war zweigeteilt: Es gab eine "Congregation der Herren und Burger", die sich in der Stiftskirche St. Moriz traf, und eine Studentenkongregation für die maximal 80 bis 100 Schüler des Gymnasiums; sie trafen sich zweimal pro Monat in ihrem eigenen Oratorium im Kolleggebäude. Während Wallfahrtsbruderschaft und Studentenkongregation 1773 erloschen, wurde die Marianische Bürgerkongregation 1773 nach Hechingen übertragen, wo sie bis ins 19. Jh. weiterbestand.
Weit über die Stadt hinaus hatten die "geistlichen Komödien" der Jesuiten Zulauf;
im Ostflügel des Kollegs gab es einen zweistöckigen "Comediensaal".
Der Konvent umfasste 1649 drei, 1668 bereits neun und bei der Aufhebung 18 Patres. Sehr reiche Stiftungen von Landesherrschaft, Adel und Bürgerschaft machten das Kolleg rasch wohlhabend. So bekamen die Jesuiten z. B. 1662 die Einkünfte der Kaplanei Dürbheim. 1666 erwarben sie für 20.000 Gulden die Herrschaft Dotternhausen mit den Dörfern Dotternhausen und Roßwangen. Das Dorf Bühl wurde ihnen 1675 für 12.000 Gulden verpfändet; 1744 konnten sie es kaufen. Bereits zu Beginn des 18. Jh. war die Mühle und ein Erblehenhof in Niedernau zum Jesuitengut hinzugekommen.
Mit der Aufhebung des Ordens 1773 kam das Ende des Kollegs und des Gymnasiums; die geeignetsten Patres wurden im Schuldienst und in der Pfarrseelsorge weiter verwendet. Das Gesamtvermögen des Kollegs bei der Aufhebung betrug nahezu 366.900 Gulden, die in den österreichischen Religionsfonds flossen. Die Bibliothek kam an die Universität Freiburg, der übrige Besitz wurde verkauft bzw. versteigert. In die Kolleggebäude zogen Teile der österreichischen Oberamtsverwaltung ein; auch der Landeshauptmann nahm darin Wohnung. Teile des Gebäudes dienten 1795/98 als Militärlazarett. Die Verwaltung des neuen württembergischen Oberamts Rottenburg folgte 1806.
Mit der Errichtung der Diözese Rottenburg 1821 wurde das ehemalige Jesuitenkolleg zum Palais des künftigen Bischofs und zum Sitz der Diözesanverwaltung; diesem Zweck dient der Bau bis heute.
In ihrem ersten Rottenburger Jahr wohnten die Jesuiten im Wernauer Hof in der Oberen Gasse, von 1650 bis zur Fertigstellung des ersten Bauabschnittes ihres endgültigen Sitzes 1658 im Stadthaus der Koller von Bochingen auf dem Ehinger Platz. Das gesamte Kolleggebäude, die heutige Anlage, war 1663 fertiggestellt; die Pläne gehen vielleicht auf den Vorarlberger Franz Beer zurück. Die provisorische Kirche, 1664 im Ostflügel geweiht, wurde 1711-1723 durch einen Neubau als Westflügel ersetzt. Vom Jesuitenbruder Th. Troyer erbaut, bekam sie als Patron den hl. Josef. Mehrere Altarblätter malte der Ordensbruder Chr. Th. Scheffler aus Landsberg; die Deckenbilder stammten vom Jesuitenmaler J. Würmseer. Über die anderen am Bau beteiligten Künstler fehlen Nachrichten. Wegen angeblicher Baufälligkeit wurde die Josefskirche ab 1787 ausgeräumt und abgebrochen, die Ausstattung zerstreut. Erhalten haben sich außerhalb Rottenburgs der Hochaltar - ohne das originale Blatt -, drei Altarblätter und die Kanzel, im ehemaligen Bibliothekssaal Fragmente der Deckenfresken des Jesuitenbruders J. Fiertmair.
DIETER MANZ     
LITERATUR
-<Württ. Klosterbuch> 413-415 (D. MANZ).
- <KB Tübingen> III, 345f.
- <KDW II> OA Rottenburg, 278.
- E. STEMMLER: Rottenburger Klöster. In: Jubiläums-Schrift des Sülchgauer Altertumsvereins. Rottenburg a. N. 1952, 49ff.
- D. MANZ: Klöster in Rottenburg am Neckar. Rottenburg a. N. 1990.
- DERS.: Rottenburger Miniaturen 2 (1995), 3 (2000).
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 38 I: Vorderösterreichische Regierung und Kammer betr. Oberamt Rottenburg (Bü. 1664)
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 489: Rottenburg, Jesuitenkollegium
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 232: Lagerbücher der Klöster und Stifte: Ravensburg-Rottweil
-Generallandesarchiv Karlsruhe 118: Nellenburg
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