Klöster in Baden-Württemberg
Chorherren, weltliche   Klöster im Stadtkreis Heidelberg   
Kollegiatstift Heilig-Geist Heidelberg - Geschichte
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Abbildung  Button Heidelberg von Norden mit Heilig-Geist-Kirche, Kupferstich Matthäus Merian, nach 1622.
Um 1400 wurden - parallel zum Neubau der Kirche - erste Schritte zur Errichtung eines Universitäts- und Residenzstifts in Heidelberg unternommen. Im Jahr 1400 genehmigte Papst Bonifaz IX. die Errichtung eines Kollegiatstifts und löste die dafür bestimmte Heiliggeistkirche aus der Abhängigkeit von St. Peter, deren Filiale sie bisher war. Einen Plan für die zukünftige Struktur des Stifts und die Verteilung der Pfründen legte die Universität 1405 vor. 1409 gewährte Papst Gregor XII. König Ruprecht und seinen Erben das Patronats- und Präsentationsrecht. 1411 beurkundete Ludwig III. die Vollendung des Heiliggeiststifts und erließ eine Ordnung für die Reliquien. 1413 stellte er die "Stiftungsurkunde" aus, wonach zwölf Kanonikate und ebenso viele Vikariate eingerichtet wurden.
Sieben der Kanonikate waren mit Lekturen an den oberen Fakultäten verbunden und drei waren für Magister an der Artistenfakultät bestimmt. Das Plebanat an St. Peter und die Prädikatur erhielten zwei Lehrer der theologischen Fakultät. Man wählte als Verfassungsform eine Dekanatsverfassung mit Dekan und Kustos als einzigen Dignitäten, jedoch noch ohne eigene Pfründen (Dekanat 1418). Das Kapitel gab sich 1418 seine Statuten. Danach waren die Kanoniker weitgehend vom Chordienst befreit, um ihren Verpflichtungen an der Universität nachkommen zu können. Mitte des 15. Jh. traten zwei weitere Kanonikate für den Inhaber des neu geschaffenen Lehrstuhls für weltliches Recht und zur Versorgung älterer, nicht mehr lesender Universitätslehrer hinzu, 1508 nochmals eines für Emeriti.
Obwohl die Besetzung der Kanonikate häufig durch Interessenkonflikte zwischen Universität und Stifterfamilie geprägt war, würdigten sowohl Jakob Wimpfeling (Kanoniker an Heiliggeist 1480-1484 und 1498-1501) in einem Reformgutachten für Kaiser Maximilian als auch die Chronik der Stadt Köln das Heiliggeiststift: "ind is besetzt ind providiert mit groissen kostlichen gelerden mannen van der universitete daselsst."
Die Einkünfte des Stifts stammten aus den Erträgen von bereits an der Heiliggeistkirche bestehenden und drei aus dem Stift Neustadt übertragenen Pfründen. Hinzu kamen Zollerträge aus Kaiserswerth und Bacharach sowie die Patronatsrechte über St. Peter. Im Laufe des 15. und 16. Jh. erhielt das Stift weitere Einkünfte aus Patronatsrechten und inkorporierten Pfarreien (Wolfsheim 1414, Wieblingen 1420, Guntheim 1473, Pfeffingen 1473 und Fürth im Odenwald 1508), aus Anteilen am Zoll zu Kaub 1413 sowie aus Grund- und Hausbesitz in und um Heidelberg.
Die Heidelberger Stiftskirche besaß zwei zentrale Funktionen. Sie war Universitätskirche und diente der Pflege der kurpfälzischen Memoria. Eine besondere Bedeutung kam der Heiliggeistkirche daher als Grablege der pfälzischen Kurlinie zu. Während im 14. Jh. die Neustädter Stiftskirche und das Kloster Schönau bevorzugte Grablegen waren, wurden seit Ruprecht III. (gest. 1410) alle Pfalzgrafen mit Ausnahme Friedrichs des Siegreichen (gest. 1476), der das von ihm gegründete Dominikanerkloster als Grablege wählte, in der Heiliggeistkirche bestattet. Zudem war Heiliggeist Aufbewahrungsort der Bibliotheca Palatina, deren Grundstock Ludwig III. (1410-1436) mit der Aufstellung der theologischen, juristischen und medizinischen Bücher aus seiner Privatbibliothek in der Heiliggeistkirche gelegt hatte.
Nachdem unter Friedrich II. (1544-1556) im Januar 1546 erstmalig ein lutheranisches Abendmahl in der Heiliggeistkirche gefeiert worden war, stellte Pfalzgraf Ottheinrich 1556 den katholischen Gottesdienst ein und hob das Stift auf.
Archäologische Ausgrabungen in der Heilggeistkirche haben zwei Vorgängerbauten ergeben. Ein romanischer Bau mit halbkreisförmiger Apsis dürfte um 1300 durch einen gotischen Neubau mit polygonalem Chorabschluss ersetzt worden sein. Ende des 14. Jh. begannen die Arbeiten am Hallenumgangschor, der 1410 zur Beerdigung König Ruprechts fertiggestellt war. Zwischen 1417 und 1444 wurden die vier östlichen Joche des Langhauses errichtet. Gleichzeitig erfolgte zur Aufnahme der Bibliotheca Palatina ein Umbau der als Basilika geplanten Anlage in eine Emporenhalle. Die Bauarbeiten am Langhaus wurden nach einer längeren Pause gegen Ende des 15. Jh. beendet, der Turm bis ca. 1512 errichtet.
Von der mittelalterlichen Ausstattung der Heiliggeistkirche sind nur spärliche Reste erhalten geblieben. Hervorzuheben sind neben dem Grabmal von Ruprecht III. und seiner Gemahlin Elisabeth noch eine Reihe von Grabplatten des 15. und 16. Jahrhunderts. Bedeutsam ist zudem das Wappenfresko der Ritterschaft zum Esel.
OLIVER FIEG     
LITERATUR
-<KB Heidelberg-Mannheim> II, 43f.
- <KDB VIII/2> 74, 118-155.
- E. ZAHN: Die Heiliggeistkirche zu Heidelberg. Geschichte und Gestalt (Veröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der evangelischen Landeskirche Badens 19). Karlsruhe 1960.
- H. WEISERT: Universität und Heiliggeiststift. Die Anfänge des Heiliggeiststiftes zu Heidelberg. In: Ruperto Carola Bd. 32 (Heft 64) (1980), 55-77 u. Bd. 33 (Heft 65/66) (1981) 72-87.
- W. KELLER (Hg.): Die Heiliggeistkirche zu Heidelberg 1398-1998. Ein Schau- und Lesebuch. Heidelberg 1999.
- W. E. WAGNER: Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg. Eine vergleichende Untersuchung spätmittelalterlicher Stiftungen im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 2). Berlin 1999.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 204: Heidelberg, Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
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