Klöster in Baden-Württemberg
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Franziskanerkloster Tübingen - Geschichte
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Mit Unterstützung des Pfalzgrafen Heinrich von Tübingen wurde 1272 in der Stadt Tübingen an der später nach den Anwohnern genannten Barfüßergasse (heute Collegiumsgasse) eine Niederlassung der Franziskaner gegründet, zu der auch eine der Mutter Gottes geweihte Kirche und ein Begräbnisplatz gehörten.
Außer den Zinsen und Gülten, die aus Jahrtags- und Seelgerätstiftungen stammten, erwarb sich das Kloster bald auch einen bescheidenen Grundbesitz, über den zwei weltliche Pfleger die Aufsicht führten. Darunter befand sich allerdings auch ein Weinberg in Hirschau mit immerhin 300 Stöcken. Spätestens ab Mitte des 14. Jh. wurden der Grundsatz einer persönlichen Armut durchbrochen sowie Pfründner im Kloster aufgenommen.
Eine Reform mit der Rückkehr zur strengen Pflege des Armutsgebots erfolgte, gefördert von der Gräfin Mechthild von Württemberg, am 18. März 1446 durch Nicolaus Caroli, Guardian in Heidelberg. Die Güter und Gülten des Klosters kamen an das Tübinger Spital, das dafür die Abhaltung der Jahrtage besorgen, zudem 200 Pfund Heller zum Klosterbau und zum Kauf von Büchern bezahlen musste; einen Hof in Kilchberg erhielten die Tübinger Augustiner. Der Konvent zählte damals acht Brüder.
Die Einführung der Observanz brachte der klösterlichen Gemeinschaft Jahrzehnte reger geistiger und geistlicher Entfaltung. Von Tübingen aus wurden andere Klöster und Sammlungen reformiert, etwa die Inklusen in Horb und in Rottenburg-Ehingen sowie das Waldbruderhaus in Michelhalden bei Nürtingen. Die Tübinger Franziskanern stellten auch die Beichtväter fürs Klarissenkloster in Pfullingen.
Trotz mancher Bedrängnis - 1476 brannte das Kloster zur Hälfte ab, sechs Jahre später starben sechs Brüder an der Pest - erfreute sich der Tübinger Konvent, etwa ein Dutzend Brüder umfassend, in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende einer überregionalen Anerkennung: 1510 und 1518 wurde in Tübingen das Provinzialkapitel abgehalten, von 1520 an war der Tübinger Guardian zugleich der Obere der Schwäbischen Kustodie. Nach der 1477 in Tübingen erfolgten Universitätsgründung wurde die Gemeinschaft von Bedeutung vor allem durch die Einrichtung eigener Studienmöglichkeiten in ihrem Kloster und die Berufung gelehrter Franziskanern als Lektoren für Philosophie und Theologie, die nicht nur Vorlesungen hielten, sondern auch durch Publikationen von sich Reden machten. Einen Höhepunkt der Entwicklung markiert Paul Scriptoris, der 1485 im Alter von 24 Jahren in Tübingen Guardian wurde und dieses Amt zwei Perioden bis 1501 versah. Seine berühmten theologischen Vorlesungen wurden von Studenten und Professoren der Uni ebenso besucht wie von den Tübinger Augustinern unter ihrem Prior Johannes Staupitz.
Im Zusammenhang mit der Reformation in Württemberg durch Herzog Ulrich wurde das Kloster 1535 aufgehoben; ein Brand verheerte 1540 die leerstehenden Gebäude. An ihrer Stelle ließ zwischen 1588 und 1592 Herzog Ludwig von Württemberg einen Neubau für eine Ritterakademie, das "Collegium illustre", erstellen. In diesem wurde schließlich 1817 das neu geschaffene "Höhere Katholische Konvikt" errichtet, eine Ausbildungsstätte für Theologen, die 1822 nach dem württembergischen König den Namen "Wilhelmsstift" erhielt.
WILFRIED SETZLER     
LITERATUR
-<Württ. Klosterbuch> 473f. (W. SETZLER).
- <KDW II> OA Tübingen, 393.
- H. TÜCHLE: Das Tübinger Franziskanerkloster und seine Insassen. In: Tübinger Blätter 40 (1953) 20-24.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 531: Klöster in Tübingen
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 602: Württembergische Regesten
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