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Zisterzienserkonvent Birnau - Geschichte
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Abbildung  Button Das Zisterzienserpriorat Birnau. Ansicht des 19. Jh.
1227 bestand in (Alt-)Birnau eine beginische Schwesternsammlung, die bald danach vom Salemer Abt versetzt wurde und sich nach mehreren Umzügen 1240 in Baindt niederließ. Bei der Schwesternsammlung auf einem Hügel nördlich von Nußdorf bei Überlingen wird bereits eine Marienkapelle gestanden haben. Verleihungen von Ablässen 1317/18 für Pilger belegen erstmals eine Wallfahrt. Die Seelsorge übte zunächst ein Weltpriester aus. 1384 wurde die Kapelle der Zisterzienserabtei Salem inkorporiert, das nun einen Mönch nach Birnau entsandte, der die Pilger betreute. Das Kloster errichtete über der Gnadenkapelle eine größere Kirche, die mehrfach in der Folgezeit vergrößert wurde. Um 1420 entstand das heute noch in (Neu-)Birnau verehrte Gnadenbild der Muttergottes. Im rechten Winkel schloss das sogenannte "Priesterhaus" für den Pater "Präfekt" und seine Helfer an die Kirche an. Der Präfekt war ab 1595 in Personalunion auch Kaplan der Nikolauskapelle in Owingen, bezog die Einkünfte aus dem dortigen Hofgut, ließ aber die Messen in Owingen durch einen Weltgeistlichen lesen. Ein formierter Konvent bestand in (Alt-)Birnau wohl nicht. Nach der Zerstörung 1643 erfolgte ab 1655 der Wiederaufbau von Kirche und Priesterhaus. Erweiterungs- und Neubaupläne im 18. Jh. scheiterten am Widerstand der Reichsstadt Überlingen, das die Niedergerichts-Herrschaft über (Alt-)Birnau ausübte.
Darauf entführte Salem in einer sorgsam geplanten Aktion das Gnadenbild 1746 in seine Abteikirche und plante einen Neubau am heutigen Standort in (Neu-)Birnau westlich von Nußdorf, wo die Abtei über die Landeshoheit verfügte. 1747-50 entstand die berühmte Rokokokirche auf einer Landschaftsterasse über dem Bodensee und dem Salemer Schloss Maurach nach den Plänen des Baumeisters Peter Thumb, mit der Ausstattung von Joseph Anton Feuchtmayer und der Ausmalung durch Gottfried Bernhard Goez. Der Turm, durch den der Eingang in die Kirche führt, wird flankiert von den Flügeln des Priesterhauses. Das Priesterhaus wies im Erdgeschoss Räume für Mesner, Gärtner und Koch auf. Im ersten Stock befanden sich das Refektorium die Zimmer für den Superior und den Pfleger, der für Wirtschaft in Birnau und Maurach verantwortlich war. Im zweiten Stock konnte der Salemer Abt bei seinen Aufenthalten zwei Räume beziehen, daneben waren der Vikar und gelegentlich ein zweiter Mönch untergebracht, die als Prediger und Beichtiger für die Wallfahrer wirkten. 1751 erließ der Abt ein Statut für die Birnauer Konventualen, in denen Pflichten, Tagesordnung, Stundengebet, Klausur u. a. und damit das Gemeinschaftsleben des kleinen, rechtlich unselbständigen Konvents unter Leitung eines Superiors geregelt wurden. Die vom Salemer Abt eingesetzten Superioren wechselten häufig. Zur Einweihung der neuen Wallfahrtskirche waren noch 20.000 Gläubige gekommen, in den nächsten Jahren konnten jeweils ca. 10.000 Kommunionen gezählt werden. Aber gegen Ende des 18. Jhs. nahmen die Pilgerzahlen deutlich ab, zeigten sich erste Folgen der Aufklärung. 1802 wurde Kloster Salem und damit auch Birnau säkularisiert und den Markgrafen von Baden als Standesherrschaft übereignet. Der Konvent wurde 1804 aufgelöst, die Priester in Birnau konnten vorerst dort bleiben und den Gottesdienst weiter versehen, bis sie 1808 den Ort zu verlassen hatten und die Kirche geschlossen wurde. Das Gnadenbild kam in das Münster Salem, Glocken, Orgel, Beichtstühle und Kirchengestühl wurden in andere Kirchen abgegeben.
Ein Versuch der aus Wettingen im Aargau vertriebenen Zisterzienser, 1851 sich in Birnau anzusiedeln, scheiterte ebenso wie der Versuch nach deren Niederlassung in Mehrerau bei Bregenz, 1893 in Birnau die Wallfahrt wieder zu eröffnen. Aber nach dem Ersten Weltkrieg gelang es dem Mehrerauer Abt 1919, von Prinz Max von Baden Birnau und Maurach zu erwerben. In Birnau errichtete Mehrerau eine "Propstei", einen von der Abtei abhängigen Konvent, dessen Mönche jederzeit versetzt werden konnten. Der Gründerkonvent bestand aus vier Mönchen: Propst, Spiritual, Verwalter und Organist, sowie vier Brüdern. Rasch blühte die Wallfahrt wieder auf, wieder konnten pro Jahr ca. 10.000 Kommunionen gespendet werden, Birnau wurde beliebte Beicht- und Hochzeitskirche. Im Dritten Reich kam wieder das Ende, 1941 wurde der Konvent Birnau kurz nach dem Mutterkloster Mehrerau aufgehoben, die Mönche mussten das Haus wieder verlassen, die Brüder hatten die Landwirtschaft fortzuführen. Birnau und Maurach wurden Erholungsheim für Mütter und später für verwundete Soldaten. Im Mai 1945 konnten die Mönche zurückkehren und die Kirche wieder für den Gottesdienst öffnen. Der Vorsteher des kleinen Konvents wurde nun Prior genannt, Birnau blieb ein von Mehrerau abhängiges Priorat. 1946 trennte die Erzdiözese Freiburg von der Pfarrei Seefelden das Gebiet der Pfarrkuratie Birnau mit Nußdorf und Deisendorf ab, der Papst erhob die Wallfahrts- und Pfarrkirche 1970 zur Basilica minor. Nach mehrere Renovierungen strahlt das "Barockjuwel" weit über den See und zieht außer gläubigen Pilgern vor allem Massen von Touristen an.
ELMAR L. KUHN     
LITERATUR
-F. X. C. STAIGER: Salem oder Salmansweiler … Constanz 1863 (Nachdruck Meersburg 2008).
- U. KNAPP: Die Wallfahrtskirche Birnau. Planungs- und Baugeschichte. Friedrichshafen 1989.
- P. SACHS-GLEICH u. a.: Mit vereinten Kräften. Gelungene Renovierung der Owinger Nikolauskapelle. In: Leben am See 9, 1991, 288-292.
- B. M. KREMER (Hg.): Barockjuwel am Bodensee. 250 Jahre Wallfahrtskirche Birnau. Lindenberg 2000.
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