Klöster in Baden-Württemberg
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Augustiner-Chorherrenstift Herbrechtingen - Geschichte
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Vermutlich um 760 gründete Abt Fulrad von Saint-Denis auf seinem Eigengut - wohl Teil einer königlichen Schenkung - eine Zelle ("cella") an der Stelle des späteren Stiftsbezirks. Dieser lag verkehrsgünstig an der Römerstraße Heidenheim-Günzburg, die hier in einem Flussknie die Brenz überquerte. Wie auch bei den anderen Gründungen Fulrads in Südwestdeutschland (Esslingen) war mit der Errichtung solcher Zellen die Konsolidierung der fränkischen Herrschaft in Alemannien intendiert. 774/76 wurde die Zelle durch Karl den Großen mit weiterem Königsgut ausgestattet.
Fulrad übertrug die Gebeine des Märtyrers Veranus, eines südfranzösischen Bischofs, nach Herbrechtingen. Erst später konnte sich der hl. Dionysius als alleiniger Patron der (Stifts-)Kirche durchsetzen, nachdem in der Frühzeit der hl. Veranus noch gleichberechtigt neben ihm gestanden hatte.
Nach dem Tod des Gründers (784) ging Herbrechtingen - wie im Testament Fulrads von 777 festgelegt - in den Besitz von Saint-Denis über. Obwohl der Besitz durch Kaiser Ludwig den Deutschen der Abtei vor den Toren von Paris 866 nochmals bestätigt wurde, verlor Saint-Denis in der Folgezeit seinen Einfluss auf Herbrechtingen.
Die Gründung Fulrads entwickelte sich bis in das Hochmittelalter zu einer Gemeinschaft von Weltgeistlichen ("saeculares clerici"), ob in einem längeren Prozess oder in einem konkreten Akt, der auf Grund verschiedener Indizien in die Mitte des 11. Jh. zu datieren wäre, muss offen bleiben. 1046 jedenfalls wurde hier in der Stifts- bzw. Klosterkirche in Gegenwart Kaiser Heinrichs III. Abt Halinard von Saint-Benigne zum Erzbischof von Lyon geweiht.
1171 reformierte Kaiser Friedrich I. Barbarossa bei seinem Aufenthalt in Giengen Herbrechtingen. Die bisherige Gemeinschaft von Weltgeistlichen wurde durch Augustiner-Chorherren aus dem Stift Hördt bei Germersheim ersetzt; neben der örtlichen Stiftskirche übertrug der Staufer auch Grundbesitz an die Chorherren.
Die Stiftung Barbarossas bildete den Kern der späteren Herbrechtinger Grundherrschaft, die sich nur unwesentlich weiter entwickeln konnte. Ein wichtiges Element bildeten die Kirchenpatronate (u. a. Herbrechtingen, Giengen, Hürben, Hohenmemmingen, Mergelstetten, Niederstotzingen), zumal dem Stift die Pfarrpfründen zum Großteil inkorporiert waren. In der näheren Umgebung wurde die Pfarrseelsorge auch durch die Kanoniker selbst übernommen.
Die Vogtei über das Stift gelangte von den Staufern in der zweiten Hälfte des 13. Jh. an die Grafen von Helfenstein, denen König Rudolf 1286 gegen den Protest des Herbrechtinger Propstes ihre Rechte endgültig bestätigte. Das Stift wurde fester Bestandteil der Herrschaft im Brenztal, die 1454 als so genannte Herrschaft Heidenheim an Württemberg kam.
Über die innere Geschichte des Stifts liegen kaum Nachrichten vor. Lediglich für die Mitte des 13. Jh. ist eher am Rand von einer Stiftsschule die Rede. Im Spätmittelalter war die Entwicklung Herbrechtingens durch finanzielle Probleme geprägt, die auch durch Reformversuche 1520 nicht behoben werden konnten.
Mit der erneuten Inbesitznahme der Herrschaft Heidenheim 1536 führte Württemberg in Herbrechtingen die Reformation durch. 1536 legte Propst Valentin Peyhard sein Amt nieder, nachdem bereits zuvor zahlreiche Kanoniker das Stift verlassen hatten. Kurzzeitige Restitutionen während des Interims und im 30-jährigen Krieg blieben Episode.
Württemberg fasste den Besitz des ehemaligen Stifts im Klosteramt Herbrechtingen zusammen, an dessen Spitze in den Jahren 1741 bis 1749 als Propst der Pietist Johann Albrecht Bengel stand.
Reste der früh- und hochmittelalterlichen Anlage haben sind in einzelnen Teilen erhalten, so z. B. im unteren Bereich der Torhalle, die später als Friedhofskapelle genutzt wurde. An den Wänden des spätgotischen Chors (1516) der Stiftskirche, die seit der Reformation als Pfarrkirche genutzt wird, sind Reste eines romanischen Mäanderfrieses frei gelegt. Unter dem im 18. Jh. aufgeführten Kameralamtsbau befinden sich Gewölbe des südlichen Konventsflügels.
WOLFGANG ZIMMERMANN     
LITERATUR
-<Württ. Klosterbuch> 271f. (W. ZIMMERMANN).
- <KB Heidenheim> II, 299-303.
- <KDW Heidenheim>, 175-186.
- H. MAURER: Herbrechtingen. In: Die deutschen Königspfalzen Bd. 3. Göttingen 1993, 182-192.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 488: Herbrechtingen
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 102/30: Geistliche Lagerbücher: Kloster Herbrechtingen
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 14 Bd. 138, 138a: Diplomatare
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 51 U 28, 525, 1077: Kaiserselekt
-Staatsarchiv Ludwigsburg B 176 S: Giengen, Reichsstadt
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