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Kollegiatstift St. Maria Wertheim - Geschichte
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Die Vorgängerinstitution der Wertheimer Stiftskirche (Patrozinium St. Maria, Residenzstift der Grafen von Wertheim) war die Pfarrkirche Wertheim. Seit 1378 versahen hier Geistliche aus dem Zisterzienserkloster Bronnbach den Gottesdienst. Am 24. Juni 1384 wurde der Grundstein für eine dreischiffige Pfeilerbasilika mit langgestrecktem Chor und 5/8-Schluss - die spätere Stiftskirche - gelegt. Diese Kirche war aus einem romanischen Vorgängerbau aus der Zeit um 1200 hervorgegangen, von dem Teile übernommen wurden. Am 17. Januar 1419 legte man in einer Kapitelsverfassung die Ordnung der Wertheimer Pfarrkirche fest: Sie umfasste neben dem Pfarrer nun die Vikare für elf Altäre, das liturgische Vorbild war der Würzburger Dom. Zudem wurde die Trennung in Kleriker- und Laienkirche durchgesetzt; der dazu notwenige Lettner wurde 1442 gebaut. Diese Stiftung, die nach dem Vorbild einer Kollegiatkirche gestaltet wurde, fand 1434 und 1440 weitere Neuordnungen in der Kapitelsverfassung; 1474 wurde durch Graf Johann III. von Wertheim (1454-1497) das Pfründenvermögen neu geregelt. Grundsätzlich unterschied sich die Pfarrkirche nur noch wenig von einem Kollegiatstift. Als am 4. Juli 1481 Papst Sixtus IV. die Wertheimer Pfarrkirche schließlich in eine Kollegiatkirche umwandelte, kam zu den bisher 13 Kanonikaten ein 14. hinzu; die Pfarrei wurde Dekanat, die Vikarien Kanonikate. Drei Ämter wurden genannt: Scholaster, Kustos und Kantor. Das Kapitel verfügte nun über Kapitelssiegel und Kapitelstisch. Das Einkommen des Kapitels setzte sich zusammen aus dem Einkommen der Pfarreien; zudem standen dem Stift noch Ablässe zur Verfügung. Auch gab es regelmäßige Zuwendungen aus der Wertheimer Bürgerschaft.
Graf Wilhelm von Wertheim war der erste Dekan der Kollegiatskirche; da er aber als Mainzer, Kölner und Trierer Domherr oft auswärts tätig war, wurde er seit 1492 von dem Priester Johann Friedel (aus Wertheim, Studium in Erfurt) erst für zwei Jahre vertreten; ab 1494 erscheint dieser dann als investierter Dekan. Seit 1501 ist für die Versehung einer Präbande ein zweijähriges Universitätsstudium vorgeschrieben. Friedel war bis 1512 Wertheimer Dekan, bis er wohl aus Altersgründen auf das Amt verzichtete. Zuvor war schon die Dekanspfründe von der Pfarrpfründe getrennt worden, so dass er seine Rechte als Pfarrer beibehielt. Friedels Nachfolger wurde Magister Caspar Kobolt; von ihm wurde 1957 bei Renovierungsarbeiten im nördlichen Seitenschiff der Wertheimer Kirche ein Epitaph gefunden. Kobolt folgte auf dem Dekansamt wohl ab 1521 Nicolaus Vetter nach. Doch das Ende der Wertheimer Stiftskirche hatte bereits begonnen, nachdem schon seit 1518 Graf Georg II. von Wertheim die Reformbestrebungen Luthers unterstützte. Seit 1522 befand sich ein lutherischer Prediger in der Stadt; doch wird über mehrere Jahre hinweg parallel ein evangelischer Gottesdienst und eine katholische Messe des Stiftskapitels in der Stiftskirche bestanden haben. Einige Chorherren schlossen sich der neuen Lehre an. Die Kanonikate blieben erhalten, aber nach Ausscheiden der Kanoniker wurden sie nicht mehr neu besetzt. 1547 wurde die letzte Pfründe eingezogen.
Das Wertheimer Stift war mit einer beachtlichen Bibliothek ausgestattet. Noch zu Zeiten als Pfarrkirche vermachte 1448 Konrad Wellin von Reutlingen, Professor der Theologie an der Universität Köln und Vikar der Wertheimer Pfarrkirche, alle seine Bücher der Theologie, des kanonischen wie bürgerlichen Rechts, der Medizin und der "Artes" (63 Bände) der Klerikergemeinschaft, und schon 1445 war mit dem Bau von Bibliotheksräumen begonnen worden. In der Folgezeit konnte die Bibliothek immer wieder vereinzelt erweitert werden.
Schon im 14. Jh. gab es eine an die Pfarrkirche angeschlossene Lateinschule in Wertheim; seit ca. 1486/87 besaß Wertheim eine Orgel. Seit der Zeit des Grafen Johann I. von Wertheim ist der Chor gräfliche Grablege.
CARSTEN KOTTMANN     
LITERATUR
-<KDB IV/1> 246-269.
- Urkundenregesten zur Geschichte der kirchlichen Verwaltung der Grafschaft Wertheim 1276-1499. Bearb. v. W. ENGEL. WERTHEIM 1959.
- H. W. STOLL: Geschichte der Kirchenbibliothek Wertheim (Mainfränkische Studien 31). Wertheim 1984.
- H. EHMER: Die Stifter der Wertheimer Stiftskirche. In: Wertheimer Jahrbuch 1984/85, 13-30.
- Ders.: Geschichte der Grafschaft Wertheim. Wertheim 1989.
- E. LANGGUTH: Pfarrer, Vikare, Altaristen, Chorherren. Zur Entwicklungs- und Personengeschichte von Pfarrei und Stift Wertheim im Mittelalter. In: Wertheimer Jahrbuch 1984/85, 31-54.
QUELLEN
-Staatsarchiv Wertheim F-R 92: Rechnungen des Chorstifts Wertheim
-Staatsarchiv Wertheim F-Rep. 26: Grafschaft Wertheim: Stiftungssachen
-Staatsarchiv Wertheim G-Rep. 46: Chorstiftsachen
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