Klöster in Baden-Württemberg
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Benediktinerabtei St. Januarius Murrhardt - Geschichte
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Die Ursprünge des Klosters Murrhardt lassen sich nicht präzise fassen. Maßgeblich war gewiss die Lage Murrhardts am ehemaligen römischen Limes und das Vorhandensein der Ruinen eines römischen Kohortenkastells, in oder bei denen sich ein den Merowingern gehöriger Hof befunden haben dürfte. Murrhardt war zudem südlichster fränkischer Vorposten gegen das schwäbische Gebiet. Nach einer Notiz des Gallus Öhem soll bereits Pirmin in der ersten Hälfte des 8. Jh. in Murrhardt als Gründer tätig gewesen sein, was sich aber eher auf die Pfarrkirche St. Maria bezog und weniger auf einen Klostergründungsversuch. St. Maria lag am Ort eines römischen Mithrastempels auf einem Hügel über dem Tal der Murr.
Sicher ist, dass in Murrhardt in der zweiten Hälfte des 8. Jh. die Sippe der Waltriche engagiert war, die gleichzeitig das Kloster Ellwangen gründete und im Auftrag der Karolinger weitgespannte politische Interessen verfolgte. Angehörige der zur fränkischen Reichsaristokratie gehörigen Sippe lassen sich als Bischöfe und Äbte in Rouen, Auxerre, Dijon, Langres, Würzburg, Ellwangen und Passau fassen. Umfangreicher Besitz der Sippe lag außerdem im Raum von Worms, am unteren Neckar und in der Gegend von Freising. In den 760er Jahren könnte es in Murrhardt zu einem Klostergründungsversuch gekommen sein, also etwa zeitgleich mit der Ellwanger Klostergründung. Aber offenbar scheiterte der Gründungsversuch in Murrhardt. Erfolgreich war die Klostergründung erst um 817, als ein Angehöriger der bereits erwähnten Sippe mit dem Namen Walterich, der schon 794-796 Abt des Klosters Neustadt am Main gewesen war und enge Beziehungen zu Kaiser Ludwig dem Frommen pflegte, zum Gründungsabt des unterhalb von St. Maria im Tal liegenden neuen Murrhardter Klosters wurde. Zum Bau der Klosterkirche wurden Steine des Römerkastells verwendet. Walterichs Grab in der Pfarrkirche wurde 1963 entdeckt. Nach einer im 16. Jh. dokumentierten mündlichen Überlieferung soll Ludwig der Fromme auf der Flucht vor seinen Söhnen bei Walterich in Murrhardt Zuflucht gesucht haben. Zum Januarius-Patrozinium kam das Kloster über Kontakte zur Reichenau um 840. Offenbar konnte sich die Gründersippe bis zum Beginn des 10. Jh. in Murrhardt und Umgebung halten. Der Besitz des Klosters bestand aus der Gründungsdotation mit den Pfarreien Oßweil, Erdmannhausen, Sulzbach, Murrhardt, Fichtenberg und Laufen am Kocher, erstreckte sich mithin also über etwa 50 km von westlich des Neckars bis an den Kocher. Außerdem gehörte schon früh die Pfarrei Orendelsall, etwa 30 Kilometer nördlich Murrhardts gelegen, zum Klosterbesitz. 906 kam mit Großbottwar ein ausgesprochen ertragreicher Besitzkomplex hinzu.
993 kam das Kloster zusammen mit Neustadt, Homburg, Amorbach, Schlüchtern und Münsterschwarzach ans Hochstift Würzburg, das alte, angeblich aus den Zeiten Pippins und Karls des Großen stammende Rechte geltend machte. Murrhardt, das im Laufe des 10. Jh. stark gelitten hatte, wurde zusammen mit den anderen nunmehr würzburgischen Klöstern einer Reform im Sinne des Klosters Gorze unterworfen. Die neuen Initiativen in Murrhardt lassen sich auch baulich fassen: um 1000/1030 entstand, nach Abbruch der alten karolingischen Klosterkirche, eine neue dreischiffige Kirche mit Westquerhaus. 1027 stärkte Kaiser Konrad II. die materielle Position des Klosters durch eine umfangreiche Wildbannschenkung, zu der 1054 und 1064 die Schenkung von Westheim am Kocher und Jagsthausen trat. Dadurch wurden Besitz und Rechte des Klosters bis Schwäbisch Hall und an die Jagst ausgedehnt.
Die spärlichen Quellen des 12. und 13. Jh. lassen die Zugehörigkeit zum hirsauisch-sanblasianischen Reformkreis erkennen. Um 1130/40 versah man die Kirche mit zwei Chorseitentürmen, um 1220/30 mit einem großen Westturm und der noch heute erhaltenen, bemerkenswerten Walterichskapelle, die wohl im Zusammenhang mit dem Versuch der Kanonisierung des Klostergründers Walterich entstand. Diese wurde zwar nie offiziell durchgesetzt, gleichwohl entwickelte sich Walterich spätestens damals faktisch zu einem Ortsheiligen, dessen Grab in der Marienkirche (für die sich allmählich auch der Name Walterichskirche einbürgerte) zum Ziel einer für das Kloster wirtschaftlich bedeutsamen Wallfahrt wurde.
Die weltliche würzburgische Herrschaft existierte schon Ende des 12. Jh. nicht mehr: 1182 lassen sich die Grafen von Wolfsölden als Vögte des Klosters nachweisen, im 13. Jh. deren Erben, die Grafen von Löwenstein-Calw. 1277 erwarb Würzburg vorübergehend wieder die Herrschaft, war jedoch schon 1281 gezwungen, den löwensteinischen Besitz an König Rudolf von Habsburg zu veräußern, der 1282 damit seinen unehelichen Sohn Albrecht belehnte. In dieselben Jahrzehnte dürfte auch der Ausbau der neben dem Kloster gelegenen Siedlung zur Stadt zu datieren sein, die stets in weitgehender Abhängigkeit vom Kloster blieb. Die Grafen von Löwenstein behielten die Vogtei ein Jahrhundert lang. Im späten 14. Jh. verloren die Löwensteiner dann die Vogtei an die Grafen von Württemberg. Einen ersten Anlauf Württembergs, die Vogtei über Murrhardt zu erwerben, konnten die Löwensteiner 1365 noch abwehren, aber 1388 setzte sich Württemberg endgültig durch, was Löwenstein 1395 auch anerkennen musste.
Unter württembergischer Herrschaft wurde Murrhardt im 15. Jh. landständisch. Der Abt war seitdem stets auf den Landtagen vertreten. In den 1430er und 1440er Jahren ersetzte man die romanische Klosterkirche durch einen gotischen Neubau. Lediglich die beiden alten Osttürme und die Walterichskapelle blieben erhalten.
Gegen Anfang des 16. Jh. geriet das Kloster in inneren und äußeren Verfall. Die Mönche bemühten sich - ähnlich wie in Ellwangen, Komburg und Backnang -, das Kloster in ein weltliches Chorherrenstift umzuwandeln. Der Versuch scheiterte jedoch 1507/09, worauf Herzog Ulrich von Württemberg in den folgenden Jahren unter Rückgriff auf Mönche aus Lorch eine Klosterreform einleitete, was unter erheblichen Schwierigkeiten auch gelang. Der Bauernkrieg 1525 brachte schwere Schäden, u. a. auch den Verlust des nach Lorch evakuierten Klosterarchivs. Herzog Ulrich hob, wie andernorts auch, 1534/35 den katholischen Gottesdienst auf, beließ aber zunächst zwei Mönche als Verwalter im Kloster. Mit dem Interim von 1548 begann Abt Thomas Carlin, wieder einen Konvent aufzubauen. Carlins Tod 1552 beendete diese Bestrebungen, da es Herzog Christoph von Württemberg gelungen war, den jungen Nachfolger Carlins, Abt Otto Leonhard Hofseß, zum Übertritt zum Protestantismus zu bewegen. Versuche einer Restitution der Abtei im 30-jährigen Krieg fanden mit dem Westfälischen Frieden ihr Ende.
GERHARD FRITZ     
LITERATUR
-<Württ. Klosterbuch> 358-360 (G. FRITZ).
- <GermBen> V, 396-401 (K.-H. MISTLE).
- <KDW I> OA Backnang, 55-58.
- G. FRITZ: Kloster Murrhardt im Früh- und Hochmittelalter (Forschungen aus Württembergisch Franken 18). Sigmaringen 1982.
- DERS.: Stadt und Kloster Murrhardt im Spätmittelalter und in der Reformationszeit (Forschungen aus Württembergisch Franken 34). Sigmaringen 1990.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 328: Bottwar G
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 508: Murrhardt
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 102/54: Geistliche Lagerbücher: Kloster Murrhardt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 82: Konstanz Generalia (Hochstift)
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