Klöster in Baden-Württemberg
Orden   Regulierte Chorherren   Augustiner-Chorherren   Klöster im Landkreis Waldshut   
Augustiner-Chorfrauenstift Riedern am Wald - Geschichte
  Zurück
Abbildung  Button Das ehemalige Gästehaus des Chorfrauenstifts Riedern am Wald.
Die im Ortsteil Schlüpferen von Riedern angesiedelte Augustinerinnengemeinschaft unter dem Patronat der "Maria sedens" wird 1247 erstmals erwähnt (1345 Titel einer Meisterin nachgewiesen). Sie erhob bis ins 18. Jh. hinein aber den Anspruch, neben den Chorherren in Riedern der ältere Konvent gewesen zu sein. Obwohl sie immer die wirtschaftlich bedeutendere und personell stärkere Gemeinschaft waren (meist mehr als 20 Mitglieder) und das Archiv gut erhalten im Fürstlich Fürstenbergischen Archiv, Donaueschingen, liegt, harrt die Geschichte der Riederner Augustinerinnen aber noch immer einer modernen Aufarbeitung.
Es bleibt abzuklären, ob die Frauengemeinschaft bereits vor den Augustiner-Chorherren, die vor 1214 aus Detzeln nach Riedern übersiedelten, bestanden hatte, oder ob diese sie in einem Doppelstift mitbrachten. Die Frauen lösten sich erst 1350 aus der engen Symbiose mit dem Männerstift, verzichteten 1638 auf ihre Rechte, wurden zu einem eigenständigen Regularstift erhoben und direkt dem Bischof von Konstanz unterstellt. Sie besaßen ein eigenes Konventssiegel. Die Mitglieder stammen, so weit bekannt, vor allem aus dem süddeutschen Raum.
Die bis zur vertraglich geregelten Ausscheidung mit den Chorherren gemeinsam verwalteten Güter lagen in Riedern und in der näheren Umgebung, in Aichen, Detzeln, Krenkingen, Bettmaringen, Mauchen, Brunnadern, Gächlingen, Geisslingen, Griessen, Hürrlingen, Obermettingen, Rassbach, Ühlingen und Obereggingen. Einzelne Güter blieben auch danach gemeinsamer Besitz. Die Vogteirechte blieben bei den Landgrafen von Stühlingen. Die obere Männerpropstei blieb weiterhin für die Seelsorge zuständig und die Frauen behielten bedeutende Rechte vor allem bei der Propstwahl oder dessen Abwahl und derjenigen des Kirchenpflegers bei. 1459 z. B. verweigerten die Schwestern unter Hildburgis Roth die Wahl des vom Abt vorgeschlagenen Johannes Bapst zu Gunsten Ortolph Welcks, und Andreas Kurer resignierte 1520 in die Hand der Meisterin Ursula Blarer aus Konstanz. Bis weit ins 16. Jh. hinein wurden viele Güter- und Rechtsgeschäfte gemeinsam getätigt, und das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit blieb erhalten. Auch die Archivführung scheint nicht vollständig getrennt gewesen zu sein, denn es finden sich in beiden Archiven Stücke, die die jeweils andere Gemeinschaft betreffen.
Nach lange anhaltendem Druck gelang es dem Abt von Kreuzlingen als Visitator, ab der Mitte des 15. Jh. ein Vorschlagsrecht bei der Propstwahl im Männerstift durchzusetzen und den Einfluss der Frauen weitgehend auszuschalten, was zu wiederholten, aber letztlich erfolglosen Protesten führte.
Nachdem sich die Frauen noch 1632 ihr Propstwahlrecht durch den Bischof von Konstanz hatten bestätigen lassen, willigten sie 1635 unter Pröpstin Katharina Scherrer ein, unter gewissen Bedingungen darauf zu verzichten, damit der Weg für die Inkorporation der Männerpropstei ins Kloster Kreuzlingen frei wurde. Von einer Inkorporation auch der Frauengemeinschaft war nie die Rede, sie dürfte gesund und stabil genug gewesen sein. Am 6. Juli 1637 wurden die Rechte zwischen dem Abt von Kreuzlingen und den Konventualinnen vertraglich aufgeteilt. Die Frauen erhielten die Zusage, dass ihnen die Messe nun täglich gelesen werde und sie die Rechte an der Beholzung und der Hilfe durch die Bediensteten der Propstei behalten könnten. Die Privilegien, Einkünfte und Rechte wurden bestätigt und der Beitrag an die "Schatzung" festgelegt. Die Konventualinnen erhielten auch Holz-, Weide- und Fischereirechte. Spätere Dokumente zeigen, dass die Frauen sich noch immer mit dem Männerstift zusammengehörig betrachteten. (Ableitung des Visitationsrechts Kreuzlingens aus der Tatsache, dass der Abt Propst in Riedern sei). Dennoch fochten die Frauen den Vertrag mit der Begründung an, er sei unter Druck entstanden und somit ungültig. Mit Unterstützung ihrer Vögte, der Grafen von Stühlingen, dauerten die Differenzen um ihre Stellung bis weit ins 18. Jh. hinein fort, ohne dass die zahlreichen Verträge eine Klärung zu bringen vermochten. Schon früh versuchte die Historiographie, diese Ansprüche gegenüber dem Männerstift zu widerlegen. Vermutlich, weil die Frauen 1623 und 1633 unter Androhung der Exkommunikation die alten Bullen, den Vertrag von 1350 und die Investiturprotokolle abliefern mussten, fehlten klärende Dokumente im Archiv der Frauen schon am Ende des 17. Jh., so dass Zeugen befragt wurden. Die exakten Zusammenhänge dieser Auseinandersetzungen bleiben zu erforschen.
Der 30-jährige Krieg belastete die Gemeinschaft durch die Einquartierung von Soldaten und Verwüstungen erheblich. Die Frauen protestierten 1646 und 1649 bei Abt und Bischof gegen die Lasten des Jagdrechtes der Landgrafen und die Abgaben an diese. Der Abt von Kreuzligen als Visitator ordnete in den 1660er Jahren die Reform des verschuldeten und offenbar von Zucht und Ordnung abgewichenen Frauenstiftes an, indem er zwei Schwestern aus Inzigkofen, Dorothea Roth und Victoria Settelin, nach Riedern schickte. Erhalten gebliebene Teile der Korrespondenz mit dem Abt von Kreuzlingen zeigen Maria Cleophe, Franziska Catan (1663-1668), Magdalena Öderlin und Maria Victoria Vogler als herausragende Persönlichkeiten. Der Konvent zählte damals ungefähr 30 Mitglieder, denen es verboten war, die Klausur zu verlassen und Besuch zu empfangen; der Tagesablauf glich aber in etwa demjenigen der Männer.
In den aufklärerischen Zeiten nach der Französischen Revolution und nach dem Verbot der Novizenaufnahme verließen die Schwestern mehrmals ihr Kloster, um in die Schweiz zu flüchten. Das Stift wurde am 20. November 1802 säkularisiert und der Klosterbesitz wurde von den Fürsten zu Fürstenberg inventarisiert. Die im ganzen Fürstentum zahlenmäßig stärkste Gemeinschaft bestand noch aus 27 Frauen und verfügte über stattlichen Besitz. Darunter befanden sich diverse Handwerks- und ein Landwirtschaftsbetrieb mit sieben Pferden, 20 Ochsen, sieben Kühen und 13 Schweinen, der Muggwiesenhof in Riedern und je ein Hof in Geisslingen und Untermettingen. Dieser Besitz garantierte den Frauen ein Auskommen mit eigenen Mitteln und weil er weit abgelegen und so nur schwierig zu verwalten war, wurden die Frauen nicht pensioniert und durften über ihr Gut selber verfügen. Allerdings mussten sie genaue Rechnung ablegen und durften keine Novizinnen mehr aufnehmen. 1809 lebten aber noch immer 14 Frauen und fünf Schwestern im Stift, die auf Vorschlag der Pröpstin Johanna Baptista Giessler nun doch pensioniert wurden. Die Einrichtung eines österreichischen Militärspitals 1813/14 vertrieb die Frauen überraschend und definitiv in alle Richtungen. Die Gebäude wurden völlig umgebaut, um dem neuen Zweck Platz zu machen, dazu wurde die Kirche ausgeräumt und die Wand durchbrochen. Die letzte "vertriebene Pröpstin" erreichte durch hartnäckigen Kampf die Auszahlung der zugesagten Naturalleistungen an jedes Konventsmitglied. Die Fürsten verkauften große Teile des Besitzes, um diese Pensionen und die Abfindungen in Naturalien zu sichern. Mehr und mehr kamen die Gebäude in die Hände von Riederner Bürgern. Der 1814 in der unteren Propstei selbst eingerichtete Gutshof ging 1824 an die Gemeinde Riedern über und 1825 wurden im Konvent Wohnungen eingerichtet. 1846 zerstörte ein Brand die Gebäude bis auf den Südflügel und das Gästehaus, so dass heute kaum kunstgeschichtliche Zeugen oder Informationen vorhanden sind.
Die Klosteranlage ist nur durch eine Vedute aus dem 19. Jh. und das fürstenbergische Inventar von 1802/03 bekannt. Die Nachrichten von einem Brand von 1625 zeigen, dass Zellen, ein eigenes Zimmer für die Meisterin, eine Konventsstube und die Küche samt Keller und Vorratskammer bestanden haben, die mit einer Geldanleihe beim Abt von Wettingen wieder aufgebaut wurden. 1670 wurde ein Neubau mit 28 Zellen beschlossen. Das fürstenbergische Inventar von 1802/03 nennt das noch bestehende Gästehaus, Stallungen, ein Backhaus, eine Waschküche, eine Metzgerei, eine Schreinerei und eine Ziegelhütte und erlaubt einige Aussagen über die Kirche. Diese hatte ein Giebeldach, einen rechteckigem Turm und eine Kapelle. Zwei Statuen der hll. Katharina und Apollonia in der Stiftskirche der Männerpropstei stammen vermutlich aus der heute nicht mehr bestehenden Kirche. Sie dürften auch dort den Altar eingefasst haben. 1814 wurde das weitere Mobiliar verkauft, die Kirchengeräte ans Hofmarschallamt, Glocke und Turmuhr an die Gemeinde Neustadt.
DORIS STÖCKLY     
LITERATUR
-<HelvSac IV/2> 248-302.
- <KDB III> 18.
- K. KUHN: Das Regulirte Chorherrenstift Kreuzlingen. In: Geschichte der thurgauischen Klöster (Thurgovia Sacra) Bd. 2. Frauenfeld 1876, 241-375.
- H. MAURER: Die Anfänge des Augustinerchorherrenstiftes Riedern am Wald und die Erschliessung des südöstlichen Schwarzwaldrandes. In: <ZGO> 115 (NF 76) (1967) 1-42.
- H. SCHMID: Die Säkularisation der Klöster in Baden 1802-1811. In: <FDA> 98 (1978) 171-352, 99 (1979) 173-375.
- Pfarrkirche St. Leodegar, Riedern am Wald. Jubiläumsschrift zur 250-Jahr-Feier der Wiederherstellung und Benedizierung der Kirche im Jahr 1743. Riedern am Wald 1993.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
Seitenanfang