Klöster in Baden-Württemberg
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Augustinerkloster Weil der Stadt - Geschichte
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Am 8. September 1294 wurde zu Speyer ein Vertrag zwischen Gottfried, Abt von Hirsau, und Dietrich, Prior der Augustiner-Eremiten in Weil, beurkundet: Die Augustiner sollten auf einem innerhalb der Stadtmauer gelegenen, der Abtei gehörenden Grund ein Oratorium mit Friedhof, Dormitorium und anderen Bauten für zwölf Brüder errichten dürfen. Mit Urkunde vom 1. August 1295 nahmen Schultheiß, Bürgermeister und die gesamte Bürgerschaft die Bettelmönche mit Zustimmung des Ortspfarrers in ihre Stadt auf.
Das Kloster gehörte zu der einen deutschen Provinz, die 1299 in vier Provinzen geteilt wurde. Weil kam zur rheinisch-schwäbischen Provinz.
1481 schloss sich das Kloster der sächsischen Reformkongregation an. Die reformierten Konvente Alzey, Esslingen, Heidelberg, Tübingen und Weil vereinigten sich zum Vikariat Weil. Weiler Augustiner studierten jetzt in Tübingen, die wichtigeren Werke der 1663 noch 397 Bücher umfassenden Bibliothek wurden gekauft, alte Gebäudeteile renoviert, neue gebaut; der Bischof von Speyer Ludwig von Helmstedt erlaubte 1486 den Weiler Augustinern, in der ganzen Diözese zu predigen, Beichte zu hören und Almosen zu sammeln.
Die sächsische Reformkongregation, deren Mitglied Luther war, ging in der Reformation unter und mit ihr die Klöster des Vikariats Weil, außer das Kloster Weil selbst, das nie ganz verlassen, aber immer gefährdet war, bis es Provinzial Ulrich Kessler wohl 1592 wieder in die rheinisch-schwäbische Provinz aufnahm. Am Provinzkapitel 1596 in Freiburg/Br. nahm ein Weiler Pater teil. Von da an fehlte der Prior nie bei den alle drei, später alle vier Jahre stattfindenden Kapiteln. Die Zahl der Konventualen in Weil stieg langsam. Je größer die Provinz, desto mehr Augustiner in Weil: Waren es 1591 noch 34 in 14 Klöstern, so zählt das Provinzkapitel 1752 zu Oberndorf in 22 Häusern 401 Augustiner, von denen elf in Weil waren. 1787 befanden sich dort acht Patres, vier Novizen und zwei Laienbrüder.
Die Weiler Mönche stammten aus fast allen Regionen der rheinisch-schwäbischen Provinz. Aus Weil waren wenige Augustiner: fünf Brüder, darunter Nikolaus Steiner, Stukkateur und Kunstschreiner, sowie Pater Karl Öler.
Grundbesitz hatte das Kloster kaum. Der Klostergarten schloss sich im Osten an das Quadrum an, manchmal wird ein Bruder als Gärtner genannt. Wichtige Einnahmequelle war der Bettel, der Termin. Das Provinzkapitel 1660 in Würzburg befahl, die Weiler Augustiner sollten nur in der nächsten Nachbarschaft Almosen sammeln. Später, ab 1740, wurden Terminarier für Baden ernannt.
Es gab keine Gelehrten unter den Weiler Augustinern. Der aus Weil gebürtige Laienbruder Nikolaus Steiner arbeitete als Gipsarius und Kunstschreiner. In der Münnerstädter Rokokokirche fertigte er ab 1755 Altäre, Kanzel, Beichtstühle und Bankwangen. Simon Simone unterrichtete über 20 Jahre lang die Nonnen in Frauenalb in der Musik.
Von 1622 bis 1649 waren die Augustiner die Pfarrer in Dätzingen, ab 1685 versahen sie mit kurzen Unterbrechungen die Stadtkaplanei in Weil bis zum Ende des Klosters. Über Jahrzehnte waren Augustiner aus Weil Beichtväter der Nonnen in Frauenalb, von 1758 bis zum Ende des Klosters Schlosskapläne bei Freiherr von Gemmingen in Steinegg. Die Terminarier bettelten nicht nur, sondern predigten auch und hörten Beicht.
Am 24. November 1802 fiel Weil der Stadt an Württemberg. Der Herzog hob das Kloster auf. Ein "Verpflegungsakkord" vom Februar 1803 genehmigte dem Prior Bruno Gehling eine Pension von 175 Gulden, dazu 50 Gulden "Gratialanweisung" beim Spital. Der Subprior Kaspar Röhrig blieb Stadtkaplan und Melchior Mayr Rektor der Normalschule. Liborius Götz, "zu irgend einem Dienst unfähig", und Bruder Marianus Back erhielten einmalige Abfindungen. Zwei weitere Patres des Konvents, die nicht in Württemberg tätig waren, gingen leer aus. Im Januar 1803 wurde das Silber des Klosters (364 Gulden) nach Ludwigsburg abgeführt. 1813 erwarb der Weiler Kaufmann Johann A. Gaudy die Bibliothek, die 1814 in die geplante Friedrichs-Universität nach Ellwangen verlegt werden sollte.
1295 begann der Bau von Kloster und Kirche, deren Hochaltar 1393 geweiht wurde. 1481 stand ein Neubau. Das Quadrum wurde im Süden mit der Kirche geschlossen, deren Portal sich zur Straße öffnete. Sie war einschiffig, gotisch, trug einen Dachreiter, hatte innen Westempore und Lettner, in dessen vier Bögen drei Altäre standen, die dem Augustinus, dem Ordensheiligen Nikolaus von Tolentino, der Dreifaltigkeit, den hll. Erhard und Eucharius gewidmet waren. Weihbischof Lucas Schleppel konsekrierte sie 1515. Der vierte Bogen gestattete den Durchgang zum Chor. West-, Süd- und Ostflügel des Quadrums waren mit spätgotischen Fischblasenfenstern versehen, in deren Leibungen Inschriften gemeißelt sind, die Auskünfte zur Geschichte des Klosters und des Ordens geben. Als die Kirche in barockem Stil umgestaltet wurde, brach man den Lettner ab, der Hochaltar stand nun frei im Chorraum, war von zwei Seitenaltären flankiert. Am 10. Juni 1686 weihte der Speyrer Suffraganbischof Johann Philipp Burchard die Altäre. 1706 wurde der Westflügel des Klosters abgebrochen und ein neuer, um einen Stock höherer erbaut. Dabei gingen die alten Kreuzgangfenster dieser Seite verloren, die übrigen sind erhalten, wie auch das Winterrefektorium mit Stukkaturen, die wohl vom Laienbruder Fridolin Mack, der 1722 als Gipsarius nach Weil kam, geschaffen worden sind.
Nach der Aufhebung des Klosters wurde im September 1803 die Orgel an die Schafhausener Kirche verkauft. Mit den Steinen der 1812 abgebrochenen Klosterkirche wurde die Dätzinger Pfarrkirche errichtet. Das Kloster kaufte 1813 die Weiler Kirchenstiftung. Nach Umbau konnte 1818 der Pfarrer in den Ostflügel, Schule und Lehrer in den Westflügel ziehen. 1949 verließen die Schulen das Kloster. Heute beherbergen einige dieser Räume das Stadtarchiv, andere werden von der städtischen Musikschule, verschiedenen Vereinen und der Jugend benutzt. Der Ostflügel ist bis heute katholisches Pfarrhaus.
MICHAEL WERNICKE OSA     
LITERATUR
-<ERZBERGER> 278f.
- <Württ. Klosterbuch> 501-503 (M. WERNICKE OSA).
- <KDW I> OA Leonberg, 310.
- M. WERNICKE OSA: Die Bibliothek des Augustinerklosters Weil der Stadt. In: Analecta Augustiniana 45 (1982) 215-268; 46 (1983) 257-330.
- S. SCHÜTZ: Über die Baugeschichte der klösterlichen und säkularisierten Augustinerniederlassung (Kirche und Oratorium) in Weil der Stadt bis zum 19. Jahrhundert. In: Heimatverein Weil der Stadt. Berichte und Mitteilungen 43 (1994) 19-29.
- H. WILDT: Das Augustinerkloster zu Weil der Stadt 1294 bis 1802. Vortrag von Stadtpfarrer Heinrich Wildt zur Feier des 1500. Todestages des Kirchenlehrers Augustinus (...) 11. November 1930. In: Heimatverein Weil der Stadt 43 (1994) 4-11.
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