Klöster in Baden-Württemberg
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Frauensammlung St. Nikolaus/Vetternsammlung Villingen - Geschichte
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Die so genannte Vetternsammlung bei der Kapelle St. Niklaus in der Altstadt von Villingen trägt ihren Namen nach der patrizischen Villinger Familie Vetter. Die Sammlung ist erstmals 1255 bezeugt und lebte anfänglich ohne bestimmte Regeln unter Leitung einer Meisterin. Am 7. Juli 1270 unterstellte Bischof Eberhard von Konstanz die Schwestersammlung der Augustinerregel und stattete sie mit den üblichen Privilegien für Augustinerinnen aus. Die Sammlung wurde jetzt von einer Priorin geleitet und in seelsorgerischer Hinsicht von den Dominikanern aus Rottweil betreut, die in Villingen bis 1380 über ein Haus verfügten. Nach 1308 vereinigte sich die Vetternsammlung mit einer anderen, ebenfalls von den Predigern betreuten Villinger Sammlung, genannt zur Pforte oder von Walthausen. Eine Reihe von Gütererwerbungen lassen auf einen gewissen Wohlstand schließen. Die Vetternsammlung führte seit dem 14. Jh. ein eigenes Siegel, sie kam auch in den Genuss von Jahrzeitstiftungen und nahm Pfründner bei sich auf. Die Insassinnen hatten das Bürgerrecht der Stadt Villingen, im ältesten Bürgerbuch werden sie als "Dominae in conventu patrui" bezeichnet, was darauf hindeutet, dass die Vetternsammlung zu den vornehmeren Sammlungen der Stadt zählte. Eine eigene Kapelle, zu der sie seit Annahme der Augustinerregel berechtigt war, ist 1343 bezeugt. In ihr oder in der Pfarrkirche durften die Schwestern laut einer Urkunde des Bischofs von Konstanz vom 1. Juni 1343 auch in Zeiten des Interdikts bei geschlossenen Türen die Tagzeiten beten, die Messe hören und Tote bestatten. Am 13. Dezember 1418 wurde ein Altar in ihrer Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes, und der hll. Peter und Paul, Stefan, Oswald, Dominikus, Maria Magdalena, Dorothea, Margaritha, Barbara und aller Heiligen neu geweiht. Für diesen Altar stifteten 1422 Priorin und Konvent eine Kaplaneipfründe von jährlich 35 Pfund Heller. Die Sammlung wird in dieser Urkunde ausdrücklich als "St. Augustins Regel" bezeichnet, das heißt sie war nicht der 1405 approbierten Regel des dominikanischen Dritten Ordens unterstellt. Das Pfründhaus für den Kaplan, gestiftet aus Mitteln einer Mitbewohnerin, befand sich gegenüber der Sammlung. Die Pfründe wurde in späteren Jahren verschiedentlich aufgebessert, das Pfründvermögen vom zuständigen Pfarrer verwaltet. 1438 erhielten die Schwestern vom bischöflichen Generalvikar die Bewilligung ein Glockenhaus zu bauen, damit sie, vorbehaltlich der Pfarrrechte, mit einem Glöcklein die Leute zur Messe und zu anderen Gottesdiensten einladen konnten. Die zunehmende Verklösterlichung der Vetternsammlung drückt sich auch in der neuen Bezeichnung "Klösterlin" aus. Die Beziehung zum Predigerorden lockerte sich zunehmend. 1427 führte der Konvent noch den Namen "Vetternsammlung zu Villingen Predigerordens", 1440 lässt er sich auf Vermittlung des Abtes von Alpirsbach vom Konzil zu Basel die Erlaubnis geben, wegen der hohen Kosten die Sakramente von einem ansässigen Priester empfangen zu dürfen, statt wie bisher durch die Prediger aus Rottweil. 1468 erlaubte der Bischof von Konstanz den Schwestern, sich von jedem tauglichen Priester die Beichte abnehmen zu lassen. Bereits 1452 waren die letzten zwei Schwestern der Kürnegger Sammlung am Oberen Tor der Vetternsammlung beigetreten. Sie wurden ebenfalls als "Prediger Ordens" bezeichnet. Falls die Kürnegger Sammlung identisch ist mit dem oberen "Inclusorium de poenitentia S. Dominici", hatten die Schwestern "am Oberen Tor" vor ihrem Eintritt die neue dominikanische Drittordensregel befolgt. Die Vetternsammlung verkaufte das ihnen zugefallene Haus am Oberen Tor an die Stadt. Im Gegenzug erhielten die Schwestern auf ewige Zeiten einen Brunnen vor ihrem Haus in der Bärengasse zugesprochen.
Die Vetternsammlung überstand die Reformationszeit weitgehend unbeschadet. Zu Veränderungen kam es erst im Gefolge der Reformbeschlüsse des Konzils von Trient. 1559 erließ der Prior von Rottweil neue Satzungen für die Sammlung. 1570 wurde die Vetternsammlung auf Befehl des Bischofs von Konstanz durch die Äbte von Petershausen und St. Blasien visitiert und mit neuen Statuten versehen. Diese wurde 1586 anlässlich einer erneuten Visitation durch den Stadtpfarrer von Rottweil bestätigt. Die Statuten regelten das innere Leben im Kloster, sahen aber von der Einführung der strengen Klausur ab, da die Schwestern angehalten wurden, den Gottesdienst im Münster zu besuchen. 1720 war die Sammlung in der Lage, anstelle der alten Kapelle eine eigene Klosterkirche zu errichten. Sie wurde 1722 vollendet und der hl. Katharina von Siena geweiht. Die Wahl dieses Patroziniums könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Vetternsammlung die Drittordensregel der Dominikaner angenommen hatte. Dass die Sammlung seit alters her nach dieser Regel gelebt haben soll, wie Dekan J. J. Riegger, Stadtpfarrer zu Villingen, in seinen Eintragungen aus den Jahren 1728-1734 festhält, ist nicht erwiesen. Dagegen spricht, dass die Sammlung in den Verzeichnissen der 1709 gegründeten süddeutschen ("sächsischen") Ordensprovinz nicht als Kongregation des Dritten Ordens aufgeführt wird, sondern lediglich 1730 als ein unter Aufsicht des Diözesanbischofs stehendes "Dominikanerinnenkloster". Es ist aber möglich, dass zu diesem Zeitpunkt eine stärkere Anbindung an den Dominikanerorden gesucht wurde. Der Klosterausbau scheint die finanziellen Mittel der Sammlung überstiegen zu haben. Die Schwestern waren gezwungen, Geld aufzunehmen und ihre Einnahmen durch den Verkauf von kostbaren Handarbeiten aufzubessern. Als die Stadt Villingen 1774 von der kaiserlichen Regierung aufgefordert wurde, eine Mädchenschule zu eröffnen, erklärte sich die Vetternsammlung zur Übernahme dieser Aufgabe bereit. 1782 schlug der Stadtrat vor, die Schule in das aufgehobene Bickenkloster St. Klara zu verlegen. Die Klarissen hatten nach der Aufhebung die Regel der Ursulinen angenommen. Ihr schlossen sich nun auch die sechs Schwestern der ehemaligen Vetternsammlung an. Die Gesellschaft der Ursulinen verfügte über große Erfahrungen in der Erziehung von Töchtern und Frauen, so dass sich diese Lösung für die Fortführung der Mädchenschule als geeignet erwies. Die im Jahre 1782 erstellten Klosterinventare der Vetternsammlung geben Einblick in die umfangreiche Bibliothek und den Ausstattungsbestand des Klosters mit Gemälden und Statuen. Die Gebäude der Vetternsammlung fielen damals an die Stadt und wurden an Privatleute verkauft. 1856 wurde das Sammlungsgebäude von den Ursulinen zurück erworben. An seiner Stelle baute die Stadt 1858 eine Mädchenschule.
MARTINA WEHRLI-JOHNS     
LITERATUR
-<KDB II> 130.
- K. J. GLATZ: Auszüge aus den Urkunden des Bickenklosters in Villingen. In: <ZGO> 32 (1880) 274-308.
- A. WALZ: Statistisches über die Süddeutsche Ordensprovinz (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 23). Leipzig 1927, 20.
- B. JENISCH / K. WEBER: Kirchen und Klöster im mittelalterlichen Villingen und Schwenningen. Baugeschichte und archäologische Aspekte. In: H. MAULHARDT (Hg.): Villingen und Schwenningen: Geschichte und Kultur (Veröffentlichungen des Stadtarchivs und der Städtischen Museen Villingen-Schwenningen 15). Villingen-Schwenningen 1998, 90-118.
- E. BOEWE-KOOB: Die Vetternsammlung in Villingen. Unter Berücksichtigung der Konvente, die der Augustinus-Regel unterstellt waren. In: <SchrrVGBaar> 47 (2004) 28-50.
QUELLEN
-Generallandesarchiv Karlsruhe 184: Villingen, Amt und Stadt
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