Klöster in Baden-Württemberg
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Kapuzinerkloster Radolfzell - Geschichte
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Bereits 1617 bemühte sich der Stadtrat von Radolfzell um eine Ansiedlung von Kapuzinern in der Stadt. Die Obrigkeit befürchtete jedoch, der geplante Standort vor der Stadtbefestigung könne die Wehrhaftigkeit der Stadt schwächen. Als Erzherzog Leopold von Österreich 1623 nach Radolfzell kam, trug der Stadtrat den Wunsch erneut vor. Leopold beauftragte daraufhin den Deutschordens-Kommentur von Raitnau, einen geeigneten Klosterstandort zu finden. Schließlich wurde ein Platz vor dem Obertor, zwischen Ausfallstraße und Seeufer, festgelegt. Am 25. Februar 1625 wurde der Grundstein gelegt, das Konventsgebäude war 1627 vollendet, die Klosterkirche St. Georg wurde im Oktober 1627 geweiht. Erster Oberer und außerdem Bauleiter war Pater Apollinar, der Bruder des Hl. Fidelis von Sigmaringen.
Doch schon kurz darauf wurde das Radolfzeller Kapuzinerkloster wieder zerstört. 1632, im 30-jährigen Krieg, besetzten protestantisch-württembergische Truppen die katholisch-österreichische Stadt. Die Kapuziner mussten ihr Kloster verlassen, die Gebäude einer großen Schanze vor dem Obertor weichen. Die Mönche bewohnten nun das Schönauische Haus in der Stadt. Sie kamen weiterhin ihren seelsorgerischen Aufgaben nach und standen in schwerer Kriegszeit und vor allem während der verheerenden Pestepidemie 1635 aufopferungsvoll den Menschen bei, sodass sie in Radolfzell großes Ansehen genossen.
Sofort nach Kriegsende 1648 bemühten sich die Mönche um den Wiederaufbau ihres Klosters am alten Ort, doch wurden wieder militärtechnische Bedenken wegen der Lage vor dem Obertor laut. Die Kapuziner bestanden aber auf den baldigen Bau von Kirche und Konvent und drohten, andernfalls Radolfzell zu verlassen. Der Stadtrat richtete dazu mehrere Schreiben an die österreichische Regierung. 1657 gestattete Erzherzog Ferdinand persönlich den Wiederaufbau am alten Standort - vorbehaltlich einer erneuten Prüfung durch eine Kommission zur Begutachtung der Wehranlagen. Am 4. März 1659 erging schließlich die offizielle Erlaubnis zum Wiederaufbau, der sofort in Angriff genommen wurde. Schon am 26. September 1660 konnte die Klosterkirche von dem Konstanzer Weihbischof Franz Johann von Praßberg eingeweiht werden.
Lage und Ausmaße der neuen Kirche entsprachen denjenigen des Vorgängerbaus, da die Grundmauern erhalten geblieben waren. Die Kirche stand parallel zur Straße, daher mussten die Besucher zum Westeingang einige Stufen einer 5 m breiten Treppe hinabsteigen. Der neue Konvent bestand aus zwei zusammengebauten, südlich der zur Kirche stehenden Satteldachhäusern unmittelbar neben dem Gotteshaus. Wiederum südlich davon schloss der Klostergarten an. Um 1630 war dieser Garten von einer schlichten Mauer umschlossen gewesen, nun begrenzte die im 30-jährigen Krieg angelegte Schanzenanlage den Garten zum See hin.
An die Kirche wurde 1711/12 eine Totenkapelle für die Herren von Hornstein angebaut. Den Entwurf dazu lieferte Johann Dobler (Tobler), eigentlich Oberfeuerwerker auf der Festung Hohentwiel. Die qualitätsvolle Ausstattung zu dieser Kapelle kam aus Konstanz und Kempten - sie ist ganz verloren gegangen. Im 18. Jh. lebten etwa 12 Patres und drei bis vier Laienbrüder im Kloster, insgesamt wurden in der Kirche etwa 70 Kapuziner bestattet. Als Radolfzell 1806 an das Königreich Württemberg fiel, bestand der Konvent nur noch aus sechs Patres zwischen 46 und 76 Jahren sowie einem Laienbruder.
Anfang August 1806 kam eine königliche Kommission ins Kloster und konfiszierte alles, was noch irgendwie von Wert war. Die Radolfzeller Bürgerschaft und der Konstanzer Generalvikar von Wessenberg versuchten vergeblich, dies zu verhindern. 1810 fiel Radolfzell an das Großherzogtum Baden. Das Kapuzinerkloster erhielt noch eine Gnadenfrist. Um 1817 verfügte es noch über Fahrnisse, Gebäude und Grundstücke im Wert von 3.200 Gulden - damit gehörte es zu den ärmsten Klöstern im Land. 1817 lebten noch vier Patres und zwei Brüder im Kloster, 1821 drei Patres und drei Brüder.
Am 25. April 1826 wurde das Kloster aufgelöst. Das Bezirksamt Radolfzell bot Kirche und Konventsbauten als "sehr geeignet" für den Umbau zum Landhaus zum Kauf an, die mehrere Hundert Bände umfassende Bibliothek "ohne literarischen Wert" wurde als Altpapier verschleudert. Der neue Eigentümer, Bürgermeister Spachholz, ließ die Konventsbauten abbrechen und die Kirche zum Wohnhaus umbauen. Seine Erben betrieben dort später die Gastwirtschaft "Zum Kloster" mit Biergarten und Kegelbahn. 1897 richtete der neue Besitzer Joseph Mayer hier einen Weingroßhandel ein. 1987 erwarb die Stadt Radolfzell das Gebäude, das heute das "Weltkloster Radolfzell", eine interreligiöse Begegnungsstätte, beherbergt.
FRANZ HOFMANN     
LITERATUR
-K. WALCHNER: Geschichte der Stadt Radolphzell. Freiburg i. Br. 1825, 190-192, 203-205.
- P. Albert: Geschichte der Stadt Radolfzell am Bodensee. Radolfzell 1896, 280-281, 411.
- F. GÖTZ: Geschichte der Stadt Radolfzell. Radolfzell 1967, 169.
- H. SCHMID: Die Säkularisation der Klöster in Baden 1802-1811. Überlingen 1980, 88-89.
- LANDESARCHIVDIREKTION BADEN-WÜRTTEMBERG (Hg.): Der Landkreis Konstanz. Amtliche Kreisbeschreibung, Band IV. Sigmaringen 1984, 90.
- F. GÖTZ, A. MÜLLER, F. SEPAINTNER, J. WILLAM: Radolfzell und seine Stadtteile. Geographie, Gegenwart, Geschichte. Konstanz 1988, 90.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 201 b Bü 78: Ministerium des Kirchen- und Schulwesens/Kultministerium: Waisenhäuser, Klöster und Ehedispense
-Generallandesarchiv Karlsruhe 219: Radolfzell, Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
-Generallandesarchiv Karlsruhe 79 P 18: Oberösterreichische/Vorderösterreichische Regierung und Kammer: Nellenburg
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