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Adeliges Chorfrauenstift Buchau - Geschichte
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Abbildung  Button Die letzte Fürstäbtissin Maximiliane von Stadion mit Stiftsdamen, Wappen und Ansicht der Stiftsanlage, 2004.
Nach der Gründungslegende ließ Adelindis, eine Tochter Herzog Hildebrands von Schwaben und der Herzogin von Bayern, der Schwester Hildegards, Gemahlin Karls des Großen, nach dem Tod ihres Mannes Atto, Sohn des Grafen Russo von Tragant, an der Stelle, an der dieser im Kampf gegen die Hunnen im Planckental verstorben war, um 770 eine Kapelle und ein Kloster errichten, in dem sie als erste Äbtissin um 809 gestorben sei. Nach neueren Forschungen ist diese Adelindis jedoch etwa hundert Jahre später anzusetzen, während die Gründung durch eine gleichnamige Adelindis zusammen mit ihrem Mann, dem in der zweiten Hälfte des 8. Jh. im Bodenseeraum gut bezeugten Grafen Warin, tatsächlich um 770 erfolgte. Sie gehört in den Zusammenhang der fränkischen Durchdringung und Sicherung Alemanniens.
Welchen Status die neu gegründete Kommunität besaß, ist dagegen völlig offen, ja, die Frage ist wahrscheinlich falsch gestellt, jedenfalls gibt es für die Frühzeit keinerlei eindeutige Hinweise. Vieles spricht dafür, dass erst im Gefolge der Aachener institutio canonicarum von 816 die Frauenkommunitäten sich in Benediktinerinnenklöster einerseits und in Kanonissenstifte andererseits differenzierten. Die Bezeichnungen für Buchau sind sogar noch bis ins 14. Jh. uneinheitlich. Erst Ende des 14. Jh. überwiegt die Bezeichnung "Kollegiatstift", dessen vita communis sich in freier Weise an die Augustinerregel anlehnte. Die Kirche ist den Heiligen Cornelius und Cyprian geweiht, die erstmals in einer gefälschten Urkunde Ludwigs des Frommen von 819 erwähnt werden, die allerdings in soweit echt sein dürfte. In ihr, die eine enge Beziehung zum Königtum erkennen lässt, wird auch der Name Buchau erstmals urkundlich erwähnt. Eine päpstliche Urkunde von 1417 regelte grundlegend die Verfassung des Stifts. Danach ist Buchau ein weltliches Stift, gegründet für eine Äbtissin, zwölf Chorfrauen, vier weltliche Chorherren und zwei ständige Kapläne. Die Äbtissin hat das Recht, die Kanonikate und Kaplaneien zu besetzen, das Kapitel ist für die Ordnung von Haus und Gottesdienst sowie für die Verwaltung des stiftischen Besitzes mit zuständig.
1347 wird die Äbtissin erstmals als Reichsfürstin bezeichnet, seit dem 16. Jh. ist sie Reichsstand. Nach einer Übergangszeit, in der die Zuordnung des Stifts noch unklar ist, gehört das Stift seit Ende des 16. Jh. zum schwäbischen Reichsgrafenkollegium, nicht zuletzt wegen der seit dem Spätmittelalter immer wieder behaupteten Fundierung für die Töchter schwäbischer Grafen. Später wird es auch bei den "weltlichen Fürsten und Stiftern" geführt. Die Beschränkung der Aufnahme auf schwäbische Gräfinnen ist bis zum Ende des Stifts strittig und wird seitens des Stifts immer wieder durchbrochen. Die wichtigsten im Stift vertretenen Familien sind im 15. und 16. Jh. die Gundelfingen und Montfort, die auch Äbtissinnen stellen, später wird das Stift gleichsam zum Hauskloster der verschiedenen Linien der Fugger und der Truchsessen von Waldburg, die 19 bzw. 29 Damen stellen. Gleichzeitig kommen aber seit dem späten 16. Jh. auch eine Reihe von nichtschwäbischen Familien ins Stift, vor allem aus Tirol und dem Elsass, im 18. Jh. sogar aus weiter östlich gelegenen österreichischen Erbländern (Kärnten, Böhmen). Die Aufnahme setzt standesgemäße Herkunft voraus, die zunächst durch vier gräfliche oder freiherrliche Ahnen jeweils von Mutter- oder Vaterseite, im 18. Jh. dann durch 16 adelige Ahnen nachzuweisen ist. Im späten 17. und im 18. Jh. steht das Stift auf der gleichen Stufe wie die übrigen hochadeligen Damenstifte im Römischen Reich deutscher Nation (z. B. Essen, Köln / St. Ursula, Thorn, Vreden), mit denen auch personell ein Austausch stattfindet.
Das Stift besitzt zum Zeitpunkt der Aufhebung die Ortsherrschaft in zahlreichen Gemeinden des Umlands. Wichtige frühe Besitzmittelpunkte sind Ennetach bei Mengen und Saulgau. Hier schenkte Ludwig der Fromme schon 819 eine "villa" und die Kirche, vielleicht auch schon den später in Saulgau erwähnten Buchauer Maierhof. Die Grundherrschaft des Stifts erstreckte sich am Ende des 18. Jh. im Wesentlichen über ein Gebiet von Mengen im Westen bis Mietingen im Osten; ihr Rückgrat stellten die zwölf Maierhöfe dar, die zur Grundausstattung des Stifts gehören sollen. Mit ihnen ist in der Regel auch der Besitz von Kirchen verbunden, die am Ende des 18. Jh. bis auf zwei Ausnahmen sämtliche inkorporiert waren. Die finanziellen Verhältnisse des Stifts sind zu diesem Zeitpunkt im übrigen desaströs - die Schulden betrugen über 300.000 Gulden.
Ein Skriptorium gibt es in Buchau wohl zu keiner Zeit. Liturgische Handschriften sind so gut wie keine mehr erhalten, müssen aber nach Ausweis eines Inventars vom Ende des 18. Jh. vorhanden gewesen sein. Sie wurden entweder makuliert oder verkauft. Einiges dürfte auch nach Aufhebung des Stifts in der Pfarrei verblieben sein und ist heute verschollen. Zu nennen sind lediglich zwei Fragmente von Lektionaren aus dem 12. Jh., die als Einbände verwendet und später abgelöst werden. Auch von sonstigen Handschriften ist nur wenig bekannt. Es ist im übrigen davon auszugehen, dass Bücher in späterer Zeit meist in Privatbesitz einzelner Konventsmitglieder sind. In der Neuzeit entsteht dann außerdem eine "Regierungsbibliothek", von der ein Katalog von 1805 vorliegt und in der neuere rechtliche und ökonomische Literatur, aber auch Philosophen und Historiker, wenige Theologen, mehrere Bibeln und antike Autoren vorhanden sind. Sie wird zum größeren Teil in der ersten Hälfte des 19. Jh. versteigert, ein kleiner Teil gelangt in die Bibliothek der Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg.
Entsprechend den Statuten eines Damenstifts, deren Einzelbestimmungen sehr vage sind, ist die religiöse Bedeutung Buchaus eher gering einzuschätzen. Angaben stammen in der Regel erst aus dem 18. Jh., in dem die Verweltlichung schon weit fortgeschritten ist. Die Tagzeiten sollten zwar regelmäßig gebetet bzw. gesungen werden, ebenso die üblichen Messfeiern an Sonn- und Feiertagen, bei denen die Musik eine beachtliche Rolle spielte. Daneben wurden zahlreiche Feste - etwa das Fest der Stifterin am 28. August - und gestiftete Jahrtage gefeiert. Eine Gebetsverbrüderung im Sinne des Frühmittelalters ist nur einmal bezeugt (mit St. Gallen). Barocke Bruderschaften sind dagegen reichlich vorhanden: 1677 ist von einer Rosenkranzbruderschaft und 1679 von einer Skapulierbruderschaft die Rede, 1700 wird eine Bruderschaft von der "ewigen Stunde", 1723 eine Bruderschaft vom allerheiligsten Altarsakrament erwähnt, 1733 gibt es eine Nepomuk-Bruderschaft, 1771 auch eine Sebastiansbruderschaft.
Entgegen dem Selbstverständnis der Äbtissin bleibt diese und ihr Stift bis zum Ende eine geistliche Institution, das der Jurisdiktion des Bischofs von Konstanz untersteht, deutlich auch am Ablauf der Äbtissinnenwahlen, die der Bestätigung durch den Bischof bedürfen. Die Äbtissin selbst wird vom Bischof benediziert. Konfirmation und Benediktion sind jedoch im einzelnen immer wieder umstritten. Strittig ist immer wieder auch die Stellung der Kanoniker, die zwar Sitz und Stimme im Kapitel haben, wobei man sich auf die erwähnte Urkunde Martins V. von 1417 beruft. Andererseits hat das Stift aber seit dem frühen 18. Jh., besonders nach einem spektakulären Prozess mit dem abgesetzten Dr. Honorat Adolph Helbling immer wieder erfolglos versucht, den Status der Kanoniker herunterzudrücken und ihnen den "titulus perpetuus" zu nehmen. Der Bischof von Konstanz beharrt jedoch bis zum Ende des Stifts auf dem Standpunkt, dass die Kanoniker die wesentliche Voraussetzung für die Existenz einer Kollegiatkirche in Buchau darstellten.
So wird das Stift als geistliche Institution auch in die Entschädigungsmasse des Reichsdeputationshauptschlusses einbezogen, obwohl sich die Reichsgrafen, insbesondere die Truchsessen von Waldburg, erbittert gegen die Säkularisation des Stifts wehren, da dieses ja "bereits säkularisiert" sei. Das Stift fällt zusammen mit der Stadt Buchau 1803 dem Fürsten von Thurn und Taxis zu, der in Buchau zunächst ein Oberamt für seine oberschwäbischen Besitzungen errichtet. Äbtissin und Stiftsdamen ziehen sich, versehen mit einer Pension, ins Privatleben zurück. Von den noch vorhandenen beiden Kanonikaten wird das zweite aufgehoben, das erste in die Stelle des Pfarrers an der aus der Stiftskirche entstandenen Stadtkirche Buchau umgewandelt, die vier Kapläne - Heiligkreuz-, Hof-, Kustorei- und Frühmesskaplan - werden Pfarrer in umliegenden Gemeinden. Die Stiftsgebäude bleiben bis 1937 im Besitz des Hauses Thurn und Taxis und werden danach an die NS-Volkswohlfahrt verkauft. Nach französischer Beschlagnahmung kommen sie an die Diözese Rottenburg, die dort eine Kinderheilstätte der Caritas errichtete. 1986 gelangten sie in Privatbesitz.
Von der vermutlich um 1000 zu datierenden ältesten Kirche sind lediglich einige wenige Grundmauern erhalten. Sie wurde wohl durch den Brand von 1032 zerstört. Der Neubau des 11. Jh. ist auf dem Merianstich von 1643 noch in groben Umrissen zu erkennen - eine Basilika mit niedrigen Seitenschiffen , die in gotischer Zeit mehrfach umgebaut wurde. Auch der Zustand der Stiftsgebäude - ein "palatium" wird erstmals 1229 genannt - ergibt sich daraus: es handelt sich um ein gotisches "Schloss" mit Erkern, Zinnengiebeln und mehreren Stockwerken, das im 16. Jh. im Renaissancestil umgebaut wird.
Zu einer durchgreifenden Renovierung der Kirche, die auf einen Neubau hinauslief, kommt es in den 1770er Jahren. Unter Leitung des südfranzösischen Architekten Pierre Michel d'Ixnard wurde ein klassizistischer Kirchenraum errichtet mit rechteckigem Langhaus, rechteckigen Pfeilern, drei flachgedeckten Schiffen und Seitenemporen. Der Chorabschluss bleibt unverändert gotisch polygonal. Die Stukkaturen stammen vermutlich von Jakob Rueß aus Wurzach, die Deckengemälde von Andreas Brugger aus Langenargen, die Fresken über den Seitenemporen von Johann Georg Meßmer aus Saulgau.
Die Stiftsgebäude wurden offenbar während des 30-jährigen Kriegs stark zerstört, 1657 wieder aufgebaut. 1709 wurde im Westen der Kavalierbau neu errichtet. 1747 wurde für weitere Neubauten Johann Caspar Bagnato verpflichtet, der als erstes einen neuen "Fürstenbau" für die Äbtissin errichtet. D'Ixnard übernahm dann in den 1770er Jahren die weiteren Planungen und erbaute den Damenbau und einen weiteren Flügel, um damit das Geviert zu vervollständigen. Gebäude und Kirche haben sich weitestgehend unverändert erhalten. Die Kirche wurde 1938/40 gründlich renoviert, 1956 der Turm, 1957 das Langhaus nochmals renoviert, 1967 die Westwand durch den Einbau einer neuen Orgel verändert.
BERNHARD THEIL     
LITERATUR
-<ERZBERGER> 344ff.
- <Württ. Klosterbuch> 202-205 (B. THEIL).
- <KB Biberach> I, 508-516.
- <KDW Riedlingen> 55-76.
- J. SCHÖTTLE: Geschichte von Stadt und Stift Buchau. Waldsee 1884, ND Bad Buchau 1977.
- B. THEIL: Das (freiweltliche) Damenstift Buchau am Federsee (Germania Sacra, NF 32). Berlin/New York 1994 (mit Quellen- und Literaturangaben).
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart B 373: Buchau, Damenstift
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 220: Lagerbücher der Klöster und Stifte: Baden-Buchau
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 51: Kaiserselekt
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 52 a: Archivalien aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg
-Generallandesarchiv Karlsruhe 100: Sankt Georgen, Kloster, Amt und Ort
-Generallandesarchiv Karlsruhe 225: Überlingen, Stadt
-Generallandesarchiv Karlsruhe 229: Spezialakten der kleineren Ämter und Orte
-Generallandesarchiv Karlsruhe 79 P 18: Oberösterreichische/Vorderösterreichische Regierung und Kammer: Nellenburg
-Generallandesarchiv Karlsruhe 82: Konstanz Generalia (Hochstift)
-Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 30/14 (T 6): Rentamt Buchau
-Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 30/14 T 1: Buchau: Urkunden
-Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 30/14 T 2: Buchau: Amtsbücher
-Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 30/14 T 3: Buchau
-Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 30/14 T 4: Buchau: Akten Schwäbischer Kreis
-Staatsarchiv Sigmaringen Dep. 30/14 T 5: Buchau: Abgelöste Einbände und Eckstücke von Rechnungen und Amtsbüchern
-Staatsarchiv Sigmaringen FAS DS 38 NVA: Stift Buchauische Herrschaft Straßberg (vorläufige Version)
-Staatsarchiv Sigmaringen FAS DS 38 T 1: Stift Buchauische Herrschaft Straßberg: Akten und Amtsbücher
-Staatsarchiv Sigmaringen FAS DS 38 T 2: Stift Buchauische Herrschaft Straßberg: Amtsrechnungen
-Staatsarchiv Sigmaringen Ho 162 T 1: Buchauische Herrschaft Straßberg: Urkunden
-Staatsarchiv Sigmaringen Ho 162 T 2: Buchauische Herrschaft Straßberg: Akten und Amtsbücher
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