Klöster in Baden-Württemberg
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Klarissenkloster Pfullingen - Geschichte
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Folgt man einer im Pfullinger Klarissenkloster verfassten, bis etwa 1525 reichenden Chronik, so wurde der Konvent im Jahr 1250 von zwei Schwestern aus einem niederadligen Pfullinger Geschlecht gestiftet. Es bestand dort zuvor wohl bereits eine »Klause« oder »Sammlung« nach Art der Beginen bei einer angeblich 1237 existenten Franziskaner-Niederlassung. Am 21. Oktober 1252 gestattet Papst Innozenz IV. den Schwestern die Annahme der Klarissenregel. Wenig später besiedelten Klarissen aus Söflingen das junge Kloster. Klostervögte waren die österreichischen Landvögte auf der Achalm, später die Grafen von Württemberg.
Geschichte und Entwicklung des Klosters liegen weitgehend im Dunkeln, doch deuten die ausgedehnten Besitzungen, die größtenteils in einem Dreieck mit den Eckpunkten Tübingen, Nürtingen und Münsingen liegen, sowie die überlieferte Anzahl von 64 Nonnen im Jahr 1413 auf einen großen und wohlhabenden bürgerlichen Konvent. Die meisten Nonnen stammten aus der näheren Umgebung. Erst aus der Zeit nach der 1461 mit Unterstützung der Mutter Graf Eberhards im Bart, Mechthild von der Pfalz, durchgeführten Reform des Klosters durch aus Brixen vertriebene Klarissen (Anschluss an die Observanzbewegung) - ein erster Reformversuch vor 1457 scheiterte -, sind Zeugnisse des geistigen Lebens in der Klausur erhalten, darunter die bekannte, freilich im Elsaß entstandene »Pfullinger Liederhandschrift«, Reformstatuten des Johannes de Lare sowie mehrere von Nonnenhand geschriebene Andachtsbücher, religiöse und weitere Traktate (u. a. die Beschreibung der Jerusalemreise von Felix Fabri).
Im Bauernkrieg wurde das Cäcilienkloster 1525 zwar von Bauern belagert, blieb aber offenbar von Plünderung und Zerstörung verschont. 1539 soll im Kloster der Bildersturm stattgefunden haben, 1540 verfügte Herzog Ulrich von Württemberg die zwangsweise Umsiedlung von 27 Nonnen und Laienschwestern in das verlassene Franziskanerkloster in Leonberg, aus dem die Klarissen erst 1551 auf kaiserlichen Druck hin in ihr nun ruinöses und leeres Kloster zurückkehren konnten. Reformationsversuche durch evangelische Prädikanten und Pfullinger Pfarrer blieben erfolglos; erst um 1590 wurde die letzte Nonne (+ 1595) noch evangelisch.
Schon vorher war das Cäcilienkloster als »Klosteramt« zum Kirchengut geschlagen worden, im 30-jährigen Krieg von 1630 bis 1648 jedoch an die Kirche restituiert und wieder von einigen Klarissen aus Söflingen besiedelt, die allerdings die meiste Zeit im Marchtaler Hof in der Reichsstadt Reutlingen verbrachten. In der Säkularisation wurde das Kloster(amt) endgültig verstaatlicht und als Kameralamt genutzt. 1845/51 erwarb die Stadt Pfullingen, dann ein Privatmann das Areal, seit 1955 gelangen nach und nach große Teile wieder in städtischen Besitz.
Von den Klostergebäuden noch erhalten ist der Westteil der Klosterkirche mit in Europa einzigartiger frühgotischer ornamentaler Wandmalerei, ein sehr seltenes frühgotisches Sprechgitter der Nonnen sowie der ehemalige Fruchtkasten (heute Wohnhaus). Mehrere große Keller und das spätbarocke Haus des Klosterhofmeisters zeugen von der Zeit als herzoglich-württembergisches Klosteramt.
Die Baugeschichte des Klosters ist noch wenig erforscht. Jüngste Untersuchungen ergaben, dass die seit etwa 1630 mit Zwischenböden (Nutzung als Fruchtkasten) versehene Kirche auf den Resten eines weitaus älteren, wenigstens in das 11. Jh. zurückgehenden Gebäudes steht, das in der ersten Hälfte des 13. Jh. eine neue Nordmauer (mit romanischem Portal) erhielt. An dieses Gebäude wurde im Westen der Nordtrakt des laut klösterlicher Überlieferung 1278 bezogenen Konvents angefügt. Der rätselhafte ältere Bau wurde um 1300 durch die heute noch etwa zur Hälfte erhaltene Klosterkirche ersetzt. Konvent und Kreuzgang wurden im 18./19. Jh. in mehreren Etappen bis 1827, die meisten Wirtschaftsgebäude im 19./20. Jh. abgerissen.
RAIMUND WAIBEL     
LITERATUR
-<Württ. Klosterbuch> 383-385 (R. WAIBEL).
- <KDW II> OA Reutlingen, 266f.
- R. WAIBEL: 750 Jahre Klarissenkloster der heiligen Cäcilie in Pfullingen (Begleitbroschüre zur Ausstellung 2002 = Beiträge zur Pfullinger Geschichte 11). Pfullingen 2002 (mit weiterführender Literatur).
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 514: Pfullingen
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 102/61: Geistliche Lagerbücher: Kloster Pfullingen
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