Klöster in Baden-Württemberg
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Stift der Kanoniker vom gemeinsamen Leben Dettingen - Geschichte
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Nachdem Graf Eberhard d. Ä. 1477 zwei der fünf Pfründen der Pfarrkirche zur Ausstattung des den Kanonikern vom gemeinsamen Leben übertragenen neuen Stifts St. Amandus in Urach abgezogen hatte, holte er 1481 die päpstliche Genehmigung zur Umwandlung der Pfarrkirche St. Pankratius und Hippolytus in eine Kollegiatstift ein, das er nach dem Uracher Vorbild privilegierte und dem Oberdeutschen Generalkapitel der Kanoniker vom gemeinsamen Leben übertrug (3. Juni 1482). Der Pfarrsprengel der ursprünglich reich dotierten Pfarrkirche zog sich bis Güterstein und Hohenurach. 1482 wurde die Kaplanei Neuhausen dem Stift inkorporiert, zu der auch der Ort Glems gehörte.
Über das innere Leben, die Bibliothek, Schule oder Autoren ist wenig bekannt. 1493 studierte ein Kanoniker in Tübingen. Der Personalbestand war gering. 1516/17 lebten dort neben dem Propst vier Kanoniker und drei Laienbrüder. Das Stift verfügte über beträchtlichen Besitz, der wohl vor allem zur wirtschaftlichen Versorgung der württembergischen Stifte und Häuser der Kanoniker diente.
Die päpstliche Genehmigung zur Aufhebung der württembergischen Stifte der Kanoniker vom gemeinsamen Leben von 1516 wurde durch Herzog Ulrich 1517 umgesetzt. Das Stift wurde wieder in eine Pfarrkirche mit drei Pfründen umgewandelt. Die Pfarrei musste die Schulden des aufgelösten Stifts übernehmen. 1534/35 erfolgte die Reformation.
Graf Eberhard d. Ä. beauftragte wahrscheinlich schon 1483 seinen Hofbaumeister Peter von Koblenz, den Chor der alten Kirche (Pfeilerbasilika mit Rundbogenarkaden und flacher Holzdecke) durch einen Vieleckchor mit gotischem Sternengewölbe zu ersetzen und den romanischen Kirchturm zu erhöhen. Ursprünglich durch ockerfarbene Eckquaderung mit Fugenmalerei akzentuiert, vermitteln Chor und Kapelle mit den schönen Sternnetzgewölben einen herausragenden Raumeindruck. An den Gewölberippen sind Schilde mit dem Meisterzeichen Peters von Koblenz sowie mit den Wappen des Reiches und des Herzogs von Württemberg angebracht, im Chor Schlusssteine mit den Patronen Pankratius und Hippolyt. Zwischen 1491/2 und 1498 wurde nördlich des Chors eine Kapelle gebaut, die seit dem 19. Jh. als Pankratiuskapelle bezeichnet wird. 1503-1506 errichteten die Kanoniker südlich des Chors als Wohngebäude ein Fachwerkhaus, heute wegen seiner späteren Nutzung "Schlössle" genannt.
1864 wurden das romanische Kirchenschiff und eine südlich des Chores gelegene Kapelle abgerissen und durch ein von den Architekten Ch. Leins und C. Sautter entworfenes dreischiffiges neugotisches Langhaus ersetzt, in dessen Westwerk Reste von romanischen Kapitellen mit Schachbrettmustern eingebaut wurden. Ein Retabel mit Heiligendarstellungen, in den Jahren um 1520/30 von Künstlern aus dem Umkreis Schongauers geschaffen, steht am Altar. Bei Restaurierungsarbeiten wurden 1988/90 die Fundamente des romanischen Chors und beim Bau der Sakristei 1989 die Fundamente der Südkapelle ergraben.
WILFRIED SCHÖNTAG     
LITERATUR
-<Württ. Klosterbuch> 213f. (W. SCHÖNTAG).
- <KB Reutlingen> I, 542f., 563f.
- <KDW II> OA Urach, 472.
- <MonFratrum> 51-54.
- W. SCHÖNTAG: Die Anfänge der Brüder vom Gemeinsamen Leben in Württemberg. Ein Beitrag zur vorreformatorischen Kirchen- und Bildungsgeschichte. In: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 23 (1977) 459-485, hier 469f.
- F. KALMBACH (Hg.): Dettingen an der Erms. Dettingen/E. 1992, 292-316, 323-331.
QUELLEN
-Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 121 Bd. 44a-g: Lagerbücher örtlicher Kirchenvermögen
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